Ikonostasen ... - und mehr 

eine Kultur- und Entdeckungsreise per Schiff durch das zentrale Rußland

27.07.2005 - 10.08.2005

Titelfoto


Anläßlich eines meiner seltenen Besuche bei meiner Mutter, irgendwann im Februar 05, fragte sie mich, ob ich Lust hätte, im Sommer mit ihr gemeinsam Urlaub zu machen. "Na klar", meine spontane Antwort, denn zum einen sehen wir uns selten und zum anderen ist ein gemeinsamer Urlaub für mich erfahrungsgemäß doch recht preiswert. Schon begannen wir Kataloge zu wälzen und entschieden uns spontan für die Phoenix- Flußreise von St. Petersburg nach Moskau. 
Rußland - unentdecktes Land, mit so viel schöner und schlimmer Geschichte, so viel Leid und Freude, so viel krassen Gegensätzen und unendlichen Weiten.
Wir haben uns also diesmal vorgenommen, das Herz und die Seele des Landes kennenzulernen. Ob uns das gelang? Lesen Sie selbst...


Übersicht

01. MI, 27.07.2005 - Ankunft Petersburg
06. MO, 01.08.2005 - Onegasee Kishi
11. SA, 06.08.2005 - Uglitsch Wolga-Moskwa-Kanal
02. DO, 28.07.2005 - Petersburg
07. DI, 02.08.2005 - Scheksna, Weisser See Goritzy 12. SO, 07.08.2005 - Ankunft Moskau
03. FR, 29.07.2005 - Petersburg und Newa 08. MI, 03.08.2005 - Rybinsker Stausee Jaroslawl 13. MO, 08.08.2005 - Moskau Arbat I
04. SA, 30.07.2005 - Ladogasee Walaam 09. DO, 04.08.2005 - Rostow Weliki Wolga 14. DI, 09.08.2005 - Moskau Arbat II
05. SO, 31.07.2005 - Swir Mandrogi 10. FR, 05.08.2005 - Kostroma Wolga 15. MI, 10.08.2005 - Abreise Moskau

Die vor Aufregung wie immer schlaflose Nacht war diesmal schon um 03:30 Uhr zu Ende. Um 09:00 Uhr sollte das Flugzeug in Berlin- Tegel starten, um 7:00 Uhr sollten wir da sein, 3 sehr großzügig bemessene Stunden Fahrt von Altenburg nach Berlin und eine halbe Stunde Sicherheitspolster führten zu diesem unchristlichen Termin, der aber von uns Reisenden dankbar angenommen wurde, wurde doch so das sinnlose Wälzen im Bett beendet. Bei klarem Wetter setzten wir uns auf recht leeren Straßen in Marsch. Auf der Autobahn fiel die Tachonadel selten unter die 200-Marke und so kamen wir schon gegen 06:00 Uhr auf dem Flugplatz an. Flugs das Gepäck am Terminal 4 (dem Terminal, den ich eine Woche zuvor schon beim Rückflug nach Frankfurt benutzte) ausgeladen, die Mutter zur Bewachung desselben zurückgelassen und dann zum nahen Parkplatz geirrt, den ich bereits per Internet geordert hatte. Nach leichten Orientierungsproblemen und ewigem Warten an einer roten Ampel begrüßte mich der dauerkappentragende Nico, wies mir einen Stellplatz zu und fuhr mich flugs zum Flughafen zurück. Nun hatten wir immer noch fast drei Stunden bis zum Abflug zu überbrücken. Erst gab es Frühstück, dann Schaufensterbummel und im übrigen saßen wir sinnlos herum.Fahrtreppe zur Proletarskaja In der Nähe des Schalters 4 tauchten nach und nach Leute auf, die wir durch ihre Taschen und Kofferanhänger im vertrauten Phoenixtürkis als Mitreisende erkannten. Wir checken problemlos ein, passieren problemlos die Sicherheitskontrollen und warten geduldig auf den Aufruf zum Anbordgehen. Mutti sagt zu mir, daß eine Frau aussähe wie ihre Reisekameradin Christa, die sie 2003 auf ihrer Mittelmeerreise kennenlernte. Im Airbus A320-200 des LTU sitzen wir in Reihe 2 und ich bin begeistert von dem üppigen Platz, der meinen langen Beinen zur Verfügung steht. Als sich schließlich alle Passagiere nebst Gepäck sortiert haben, kommt die erste Überraschung; ist es doch tatsächlich Christa, die nun mit Mutti Wiedersehensfreudentänze aufführt. In heiterer Stimmung hebt das Flugzeug pünktlich ab, wir haben tolle Fernsicht. LTU informiert angenehm, das Personal ist freundlich und überhaupt ist alles so, daß ich beschließe, von jetzt an nur noch mit dieser Linie zu fliegen. (Da ich ja auch ständig so viel fliege...). Nach nicht einmal anderthalb Stunden setzt die Maschine sicher auf der holprigen Piste des Flughafens Pulkowo auf. St. Petersburg hat uns wieder, Mutti zum vierten Male (1983, 2002, 2004) und mich das dritte Mal (1983, 2002). Die Formalitäten sind schnell erledigt und die bereitstehenden Busse bringen uns zum Flußhafen. Dabei erhalten wir schon von einer Reisebegleiterin die ersten Informationen zu Reise und Stadt.  Schiff im FlußhafenAm Flußhafen, der sich im Südosten der Stadt befindet, bestaunen wir erst die Größe des Schiffs und dann die Größe der Kabinen, beide sind üppiger als erwartet. Mutti hat Kabine 359, ich die 360 und unser "dritter Mann" Christa selbstverständlich die 361, Zufälle gibt es! Flugs wurden die Sachen in den großen Kleiderschrank geworfen und das Schiff kurz erkundet, erste Tafeln, Zettel und Hinweise gelesen. Auch nutzte ich die Chance und tauschte im Bordreisebüro bei Larissa von Phoenixreisen etwas Geld (für 9,50 EUR gab es 300 Rubel). Nun konnte endlich das teuer erworbene Einzelvisum zum Zuge kommen. Zwar mußten wir die Reisepässe an der Rezeption lassen, bekamen dafür aber die Zimmerschlüssel, die beim Landgang gegen Bordkarten getauscht wurden. So konnte der Paß wenigstens nicht verloren gehen oder gar gestohlen werden. Durch die Zeitumstellung (die Uhr wurde 2 Stunden vorgestellt) war es schon kurz vor 16:00 Uhr, als wir uns Richtung Zentrum aufmachten. Ich kaufte am nahegelegenen U-Bahnhof mit dem garantiert noch aus sowjetischen Zeiten stammenden Namen "Proletarskaja" 6 Chips zu 10 Rubel (ca. 30 Cent) das Stück und ab ging es, fast 90 Meter unter die Erde. Mutti und ich kannten das Gefühl ja noch von 1983, aber Christa war echt geschockt, als sie die schier endlose Rolltreppe sah. Die Bahnen verkehren alle paar Minuten und fünf Stationen und 25 Minuten später standen wir auf der schönsten Straße St. Petersburgs, wenn nicht der Welt, dem Newski- Prospekt. Für den ersten Eindruck schauten wir uns die Menschen an. Schon jetzt fielen uns positiv die vielen gut gekleideten, schlanken und hübschen jungen Frauen auf.Christi Auferstehungskirche in St. Petersburg Dieser Eindruck sollte sich zum Reiseende hin verstärken. Erst ziellos, später dann geordneter spazierten wir durch das Zentrum und bewunderten die prächtigen Bauten. Ausruf von Christa: " Haben die denn hier nur Paläste?" Wir wanderten an der Fontanka zur Christi-Auferstehungs-Kirche (auch Blutkirche genannt),  gingen von dort aus an die Newa, ließen den Anblick der Eremitage und des Winterpalais auf uns wirken und wanderten dann noch zur Isaak-Kathedrale. Leider verfransten wir uns dann etwas und fanden den Newski- Prospekt nicht mehr wieder. Logischerweise hatten wir keinen Stadtplan mitgenommen, obwohl jeder von uns einen herrlichen Stadtplan in seinem Phoenixheft hatte. Irgendwann aber kam eine Metrostation namens "Sennaja Ploschadj" und ab da lotste ich uns wieder zum Schiff, das wir fußlahm aber glücklich gegen 19:30 Uhr erreichten. Dort eilten wir zum Abendessen und lernten Nummer 2 kennen, eine altjüngferliche Unsympathin, die sicher bei den Kasseler Gymnasiasten, die sie vor ihrer Pensionierung unterrichtete, nicht sehr beliebt und geachtet war. Den bürgerlichen Namen von Nummer 2 brachten wir übrigens nie in Erfahrung, allerdings legte auch niemand Wert darauf. Nummer 2 taufte ich die Frau spontan, da sie an zweiter Stelle auf der täglich anzukreuzenden  Menüliste stand; der Name wurde anstandslos angenommen und bis zum Ende beibehalten. Nummer 1 der Liste unseres Tisches Nummer 21 war Christa, ich war die 3 und Mutti war die 4. Am Essen ist nur der Salat erwähnenswert. Anschließend schmiedeten wir in der Balalaika-Bar, die praktischerweise gleich neben unseren Kabinen war, die Ausflugspläne, buchten diese auch noch und ließen uns das russische Bier der Marke "Baltika" das erste Mal munden. Nach dem Auspacken war es schon spät und da der nächste Tag mit Programm nur so vollgestopft war, gingen wir zu Bett.

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Da hatten wir uns aber was vorgenommen! Am Vormittag die Innenstadt besichtigen, am Nachmittag den Peterhof und abends ins Ballett. Um 8:30 Uhr setzten sich unsere die Busse mit uns Richtung Innenstadt in Marsch. Immer an der Newa entlang bekamen wir einen Eindruck von der Größe der Stadt. Auch erwies sich die Führerin Natascha als sehr kompetent und brachte uns vieles auf nette Art näher. Beispiel: "Woran erkennt man in St. Petersburg die Wodkafabriken? Die haben als einzige neue Stacheldrahtzäune". Das konnten wir auch mehrfach bestätigen. An einer Nudelfabrik mit 5.000 Grabstaetten der Zaren in der Peter und PaulsfestungMitarbeitern und an den Kirow- Werken mit 17.000 Mitarbeitern fuhren wir mehrere Minuten vorbei. Solche riesigen Fabriken mitten in der Stadt! Die Arbeitslosenquote liegt unter 1 % und es gibt in der Stadt 45.000 freie Arbeitsstellen.  Der erste Halt war an dem herrlichen Smolny-Kloster, das gerade von Grund auf saniert wird und somit nur zum Teil sichtbar ist. Vorbei ging es am ehemaligen KGB-Hauptquartier, einem Hochhaus mit Glasdach, durch das man, wie der Volksmund sagte, bis Sibirien schauen konnte. Zarengraeber in der Peter und PaulsfestungDann folgte ein Halt an der von uns schon am Vortag besuchten Christi-Auferstehungs-Kirche. Anschließend gingen wir noch zum Puschkindenkmal vor dem ethnologischen Museum. Dort wurde ich von einem alten Mann so geschickt angebettelt - er erzählte mir seine tragische Lebensgeschichte in passablem Englisch -, daß ich ihm glatt 50 Rubel (keine 1,50 EUR) gab. Es folgte eine längere Pause, in der wir einen kombinierten Toiletten- Souvenir- Kaffee- Wodkapunkt (ehemaliger Prachtpalast des Fürsten Wassili) anfuhren. Solche Zentren für die so genannten technischen Pausen existieren offensichtlich flächendeckend in Petersburg und sind sicher eine lebensnotwendige Institution für die unzähligen Busreisegruppen. Wodka, Kaffee und Toilettenbenutzung sind kostenlos, dafür soll man aber in den üppig gefüllten Souvenirläden zu Europreisen irgendein Mitbringsel kaufen. Gehorsam  erstand ich einen schönen großen Kalender vom Peterhof für 2006 und Mutti holte sich ein schönes Fabergé-Ei. Draußen bewunderte ich das tolle Denkmal, das 1800 der Urenkel dem Urgroßvater, so die Inschrift, widmete (Alexander I. an Peter III. ohne Gewähr). Nach dieser Pause fuhren wir an der Fontanka entlang und bogen in den Newski-Prospekt ein, um dort zahlreiche Bauten zu bewundern. Unseren nächsten Halt machten wir am Ende der Wassiljewski-Insel. Diese Stelle liebe ich am meisten, sieht man doch von dort im Rundblick die Festungen, die Eremitage, die Isaak-Kathedrale, die Rostra-Säulen und die Newa am besten. Und natürlich muß man an dieser Stelle auch die Hochzeitspaare erwähnen, die hier brauchgemäß Sekt trinken und an die Newa gehen. Wir sahen auf unserer Reise sehr viele blutjunge Brautpaare, doch wie wir irgendwann erfahren, liegt die Scheidungsrate leider bei 50%. Zum dritten Male entstand an dieser Stelle ein Foto, wie man hier sehen und vergleichen kann.
 3x Peter- und Paulsfestung

Dann ging es in die auf den Fotos immer im Hintergrund liegende Peter- und Pauls-Festung. Dort hatten wir eine ausführliche und kompetente Führung, bestaunten voll Ehrfurcht die monströsen Ikonostasen Ermitage als Hintergrundkulisse für ein Brautpaarund die Sarkophage vieler russischer Herrscher. Lange verharrte ich vor dem Grab Peter I. (des Großen). Die Pracht verschlug einem schier die Sprache. Zum Abschluß sangen noch vier Mönche mit Engelskehlen zwei kirchliche Lieder in einer kleinen Kirche. Isaak-Kathedrale und ReiterdenkmalBei der Weiterfahrt kamen wir an meinem Lieblingsdenkmal vorbei. Es zeigt Peter den Großen und wurde der Stadt von Katharina der Großen geschenkt.  Dann schauten wir uns noch die Isaak-Kathedrale an, diesmal leider nur von außen, aber ich war ja schon zweimal in ihr, da konnte ich das gut verschmerzen. Das Wetter verschlechterte sich und während wir am zweiten technischen Haltepunkt wieder Souvenirs kauften (ich holte zwei recht preisintensive Lackbrennarbeiten), regnete es sogar ein paar Tropfen.  Doch auf der Fahrt zum Peterhof (Sommersitz des Zaren) überlegte es sich das Wetter wieder anders und ließ die Sonne scheinen. Wir verließen die riesige Stadt (Ausdehnung 46 x 23 Kilometer) in Richtung Westen.  Jetzt kamen auch unsere Lunchpakete zum Einsatz, die wir statt eines Mittagessens erhalten hatten. Hätte es davon mehr gegeben, so hätten wir alle gut abnehmen können; 2 pappige kleine Brötchen, ein Chemo-Joghurt, eine Banane, ein ungenießbares Küchelchen und eine Flasche Billigwasser rissen keinen vom Hocker. Aufgrosse Fontaene im Peterhof der Fahrt zum Peterhof sahen wir auch den nur als mondän zu bezeichnenden Ferienregierungssitz von Wladimir Putin, frisch gepflanzte, große Birken im Vordergrund und ein schlecht sehbarer Rienpalast im Hintergrund. Diesem Ensemble ist es zu verdanken, daß die Straßen nach Peterhof neuerdings in einem tollen Zustand sind. So verkürzte sich auch die Fahrzeit gegenüber Vorjahren auf ein erträgliches Maß und bereits vor 15:00 Uhr waren wir im schönsten Schloßpark der Welt. Dort schlenderten wir anderthalb Stunden durch die weiten Parkanlagen und an der Ostseeküste und genossen die Schönheit der Welt. Leider mußten wir irgendwann wieder zum Bus zurück. Auf dem Rückweg machten wir noch einen technischen Halt und bewunderten die von der deutschen Partnerstadt Bad Homburg großzügig finanzierte, wieder in altem Glanz aufgebaute Kathedrale der Apostelfürsten Petrus und Paulus. Für 50 Rubel durfte ich die 137 Stufen erklimmen und wurde mit einer herrlichen Rundumsicht belohnt. Des weiten sahen wir noch eines der wenigen übrig gebliebenen Lenindenkmäler vor dem sogenannten neuen Rathaus, welches Gott sei Dank aber nie in Betrieb genommen wurde. Gegen 17:45 Uhr waren wir wieder auf dem Schiff, eine Viertelstunde später gab es Abendbrot und dann mußten wir uns schon fein machen für das Ballett, sollte die Abfahrt doch 19:00 Uhr sein. Klischee: Wer nach Rußland fährt, der muß sich Tschaikowskis "Schwanensee" in einem mondänen Theater in St. Petersburg anschauen. Nun gut, wir erfüllten dieses Klischee gerne. Aber nur 27 weitere Leute unseres Schiffes wollten ins Ballett. Ich war noch mehr verwundert, als ich hörte, daß das diesmal ungewöhnlich viel Interessierte seien. Manchmal verstehe ich die Welt nicht. Ballett in St. Petersburg im Imperator-Theater und dann noch Tschaikowskis Schwanensee und nur so wenig Interessenten. Klar, die 60 Euro Eintritt schrecken schon ein wenig, aber wie oft kann man so etwas erleben? In Bayreuth ist es deutlich teurer und in Deutschland kosten Rockkonzerte mittlerweile fast ebenso viel. Jedenfalls nahmen wir dieses tolle Angebot wahr und wurden in keinster Weise enttäuscht, nein, wir waren nur einmal fasziniert und begeistert und bedauerten alle Daheimgebliebenen. Wie grazil und wohltuend für das Auge die Tänzerinnen und Tänzer zur vom hervorragenden Orchester Blick ueber den Peterhof auf die Ostseedargebotenen und weltbekannten Musik über die Bühne schwebten, das war ein Augen- und Ohrenschmaus und ein Höhepunkt der Reise, dessentwegen sie sich allein schon gelohnt hätte. Nur Christa hatte leichtes Pech, saß neben Eintrittskarte Ballett Schwanenseeihr doch ein ungewaschener, in Drecksklamotten steckender Einheimischer, der nicht nur nach Wodka stank, sondern beim fortwährenden Einschlafen auch noch gegen Christa stieß.  Dennoch war sie begeistert von dem Geschehen auf der Bühne. Selbst Nummer 2 kam nicht umhin, begeistert und damit endlich mal unserer Meinung zu sein. Gegen 23:00 Uhr waren wir wieder auf dem Schiff, tranken noch ein Absackerbierchen in der Balalaika-Bar und ärgerten uns erneut über die deutlich zu hohen Preise, waren wir doch von vorhergehenden Kreuzfahrten Besseres gewohnt. Ein 0,5-Bier kostete 3,00 EUR, das gleiche Bier gab es vor den Anlegestellen für 25 Rubel (0,75 EUR) und in der Stadt für 16 Rubel (0,45 EUR). Dann sanken wir zufrieden und erschöpft ins Bett.




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Peter I, Katharina die Grosse und Sophie

Schlossplatz der Thron der Zaren in der Ermitage Katharinas Prunkkutsche

Um 7:40 weckt uns Katrin oder Olga über das Bordradio recht abrupt. Schnell geduscht, was in der kleinen Badzelle mit der seltsamen Brause, die aus dem Waschbecken gezogen wird, überraschend gut gelingt. Frühstück, wie immer mit sehr viel Ei zubereitet. Um 9:00 sollten die Busse zur Eremitage abfahren. Alle waren da, nur einer fehlte. Und wer fehlte? Richtig: Der Erzähler in eigener Person war doch schnell 1000 Rubel (30 Euro) tauschen gegangen und mit einer großen Umhängetasche zum Kiosk gestürzt, um Bier und alkoholfreie Getränke zu kaufen.  Nur rechnete ich nicht damit, daß a) unser Schiff so weit weg lag (am Vortag parkten wir um, ich mußte nun an 7 Schiffen á 200 Meter Länge hin und zurück vorbei rennen, vorher lagen wir gain der Ermitagenz vorne) und daß b) die Verkäuferin geradezu beleidigt war von 2500 Jahre alte griechische Statuen in der ermitagemeinem Ansinnen, bei ihr etwas kaufen zu wollen. So kam ich ein paar Minuten zu spät, aber immerhin lagen bei Abfahrt des Busses 12 Biere und diverse Tonics, Bitter Lemons usw. in meinem Kühlschrank. Alles zusammen kostete 370 Rubel (10 Euro), den Gegenwert von drei Bieren mit Trinkgeld auf dem Schiff. Insofern waren die 3 Minuten, die man auf mich warten mußte, verzeihlich. Nun ging es aber wieder ab in die Innenstadt. Ohne Umschweife kamen wir auf dem Platz vor dem Winterpalais an und schlenderten noch durch die aufwachende Stadt. Um 10:00 Uhr öffnete die Eremitage und wir konnten uns zu den ersten Besuchern zählen. Unsere heutige Führerin heißt Nina und führt uns zu ausgewählten Höhepunkten der gigantischen Ausstellung (über 3 Millionen Exponate). Glücklicherweise betrachten wir ganz andere Säle als bei meinem Erstbesuch, so daß sich nichts wiederholt. Wir bewundern altgriechische Statuen, die teilweise 2500 Jahre alt sind, spanische und holländische Meister, die riesige Galerie mit Ölgemälden aller Offiziere des Krieges 1812/13 gegen Napoleon, die Zarenbildnisse und Prunksäle, den kleinen und großen Thronsaal und vieles mehr. Wir sehen das Speisezimmer,  in welchem die Romanows von den revolutinierenden Schergen verhaftet wurden und erschauern, wissen wir doch, was danach mit ihnen geschah.  Die Pracht, die Größe, der pure Überfluß erschlagen einen förmlich und man kommt sich ganz unbedeutend vor. Oder was soll man in der Ermitagefühlen, wenn man bspw. vor einem "Schälchen" steht, daß 22 Tonnen wiegt und aus purem Jaspis ist. in der ErmitageVöllig überwältigt beenden wir unsere kurze Stippvisite in der Eremitage und trinken noch in Ruhe einen Kaffee.  Dann verzehren wir wieder das öde Lunchpaket im Bus, der uns nun nach Puschkin bringt, zum Katharinenschloß (Sommerresidenz der Zarin), in dem heute das nachgebaute Bernsteinzimmer zu bewundern ist, das vor allem mit Hilfe der Ruhrgas AG, die 3,5 Mio. EUR spendete, hervorragend rekonstruiert wurde. Bei herrlichem Wetter fuhr der Bus rasch die 24 Kilometer ins heutige Puschkin, das früher Zarskoje Zelo hieß. Interessant fanden wir einen Halbschrankenbahnübergang, der zusätzlich noch Betonelemente aus der Straße ragen ließ, damit wirklich niemand unerlaubt über die Schienen flitzt. Mit der Verkehrsdisziplin ist es sowieso nicht allzu weit her. Dazu tragen die häufigen Staus bei, die nicht nur der unbeherrschte Massenverkehr erzeugt, sondern auch oft ein liegengebliebenes Gefährt am Straßenrand, das bereits 1975 vom TÜV auf den Schrottplatz verbannt worden wäre. Gegen 14:00 Uhr warteten wir mit vielen anderen Reisegruppen auf Einlaß. Schließlich war es soweit und wieder einmal überwältigte uns die Pracht und der Glanz einer vergangenen Ära. Unsere Dolmetscherin wußte zu berichten, daß im Frühjahr dieses Jahres ein britischer Multimillionär den großen Spiegelsaal zum 18. Geburtstag seiner Tochter gemietet hatte.der Autor beim Selbstportaet im Spiegelsaal Unter BernsteinzimmerTreppenaufgang im Katharinenschlossden 100 Gästen war u. a. auch Prinz Harry. Über den Preis schweigt man sich logischerweise aus, ich gehe aber davon aus, daß man damit eine kleine Reihenhaussiedlung erwerben könnte. Ein kleiner Wermutstropfen war die unsachliche Erläuterung der Dolmetscherin im Bernsteinzimmer. Das wäre unserer Natascha vom Vortage nicht passiert. Diese sah ich übrigens im großen Festsaal eine andere Reisegruppe betreuen. Noch eine peinliche Geschichte am Rande. Unserer sehr netten und aufgeschlossenen Dolmetscherin merkte man deutlich an, daß sie auf ihre Stadt, ihr Land und ihre Herkunft sehr stolz ist.  Vor einem Puschkindenkmal sprach sie mit großer Verehrung über diesen Nationaldichter und dessen Bedeutung für die Seele des russischen Volkes. der Flusshafen von St. PetersburgEine Mitreisende (ich schäme mich schon, wenn ich es schreibe)sagte daraufhin zu dieser Dolmetscherin: "Wir haben zu Hause einen Hund, der heißt auch Puschkin. Und wissen Sie auch wieso? Weil wir unseren Sohn Alexander genannt haben." Da wurde der Takt nur durch das Feingefühl übertroffen. Und die Frau hörte nicht auf, so peinlich und penetrant im Fettnapf herum zu trampeln. Noch Minuten später schwirrten Gesprächsfetzen wie "Labrador" durch die Luft. Ich wußte gar nicht, in welche Ritze ich vor Scham kriechen sollte.  Und dann kam der nächste Schock der Reise. Ich hatte meine erste 512er Chipkarte voll geknipst und legte den zweiten Chip ein, Selbstportraet in Ermitageder sich, trotz allen Bemühens, als defekt erwies. Da stand ich nun ohne ein weiteres Medium. So mußte ich notgedrungen einige der vielen Bilder, die ich bisher machte, wieder löschen und schraubte dann noch die Auflösung herunter, um Speicherplatz zu sparen. 63 Bilder in verminderter Qualität, das war alles, was mir für den Rest der Reise zur Verfügung stehen würde, wenn sich nicht noch etwas anderes ergeben würde. Ein kleiner Spaziergang im Schloßpark rundete das Programm dieses Nachmittags ab und dann kehrten wir zur Anlegestelle zurück. Mutti und Christa gingen in einen Supermarkt, um Wein, einen Spiegel und Getränke zu holen und ich erkundete nun, nach 2 Tagen an Bord, das erste Mal ein bißchen unser Schiff.
Die MS "Lenin" wurde 1987 auf den Elbewerften "Boizenburg/Roßlau" in der DDR gebaut und atmet auch diesen Charme (Sprelakartmöbel, Lichtschalter, Badgestaltung usw.)aus. Die Länge ist 129,1 und die Breite 16,7 Meter. Maximal schafft sie 25 km/h. 332 Menschen können maximal an Bord, 98 Mann stark ist die Besatzung. Ich schätze, daß 280 Gäste an Bord waren. Auch am letzten Reisetag trafen wir noch Ehepaare, die wir bis dato nie gesehen hatten, andere dagegen sahen wir täglich mehrmals. Pünktlich um 20:00 Uhr legte die MS "Lenin" endlich ab und der ursprüngliche Reisezweck, die Weiten Rußlands vom Wasser aus zu erleben" kam das erste Mal zum Zuge. Wir verließen St. Petersburg und fuhren die Newa flußaufwärts Richtung Ladogasee. der Garten hinter dem Katharinenpalastdie Schluesselburg bei weisser NachtDie obligatorische Rettungsübung klaute uns allen eine halbe Stunde des Aufenthaltes auf den oberen Decks. Die mächtige, kristallklare Newa ist leider nur 72 Kilometer kurz.  So kann man in den drei Stunden gar kein Gefühl für diesen Fluß bekommen, der durchgehend mindestens 24 Meter Fahrrinne bietet.
Wir passierten eine neu gebaute Stadtbrücke und eine Eisenbahnbrücke, auf Mitternacht im hohen Nordender fotogerecht ein Güterzug hupend die Brückenmitte erreichte, als wir, ebenfalls das Horn betätigend, unter ihr hindurch glitten. Warum erwähne ich die Brücken? Nun, das sollte es für die nächsten Tage erst einmal an Brücken gewesen sein. Um 23:15 Uhr verließen wir die Newa, grüßten die Schlüsselburg, die majestätisch in der immer noch herrschenden Abenddämmerung lag und befuhren nun den mit 480 x 240 km Ausdehnung größten See Europas, den Ladogasee. Irgendwann wurde der Wind zu frisch, die Dämmerung wieder heller, so richtig dunkel wurde es nicht und wir beendeten den Tag in der Balalaika- Bar.


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Natascha und Olga auf Walaamdie Insel Walaam vom Schiff aus gesehenMitten in der Nacht, also um 7:00 Uhr wurden wir geweckt. Ein Blick aus dem Kabinenfenster ließ mich die Morgentoilette besonders eilig beenden, sah ich doch eine herrliche Insellandschaft im Morgensonnenschein vor mir liegen.  Nach dem Frühstück betraten wir den Boden der Insel Walaam, einer finno-ugrischen Gründung, die nun wieder ein Kloster birgt. Zu Sowjetzeiten wurden hier geistig behinderte Menschen isoliert.  Zur Besichtigung des Klosters setzten wir mit einem kleinen Schiff vom großen Hafen zum kleinen Hafen in einer 20-minütigen Fahrt über, wackere Wanderer konnten auch in gut einer Stunde zu Fuß dahin gelangen.  An der Landestelle wurden wir von der netten Reiseführerin Natascha begrüßt. Da sie kein Deutsch, dafür aber Finnisch und Englisch konnte, übersetzte unsere Olga vom Schiff alles für uns. Wir sahen den nördlichsten russischen Garten, der uns kümmerlich erschien, auf den die Mönche jedoch besonders stolz sind, immerhin liegt Walaam nördlich des 62 Breitengrades. Dann spazierten wir an den Außenanlagen entlang und betraten schließlich das Innere der Klosterkirche. Die Frauen mußten sich dazu mit Kopftuch und einem Rock bekleiden, die von ebenso bekleideten, finster blickenden Frauen verteilt wurden. Auf Fotos habe ich aus Gründen der Pietät verzichtet. Im Inneren der Klosterkirche herrschte rege Putztätigkeit von devoten Kopftuchfrauen. Zahlreiche Gläubige ließen sich von den vielen Besuchergruppen nicht stören, küßten die Heiligenbilder und beteten inbrünstig. Im Klostergelände sahen wir orthodoxe Mönche, die ihrem Tagesgeschäft nachgingen. Hier spürte man zu jeder Minute, daß hier das neue Zentrum der Orthodoxie Rußlands ist. In einer Nebenkapelle sangen vier Künstler der Gruppe "Kowtscheg" beeindruckend schön altkirchliche, orthodoxe Choräle. Da sie auch das "Mnogaja Leta" ("viele Jahre" - das traditionelle Abschiedslied der orthodoxen Kirche) zum Schluß brachten, kaufte Mutti eine CD dieses Quartetts. Mittlerweile haben wir den Tonträger schon oft angehört und die schönen Stimmen bewundert. Wir kehrten mit einem letzten Blick auf die schönen Klosteranlagen zum kleinen Schiff zurück, das uns zum großen Schiff zurückbrachte. Noch einmal fuhren wir an den zahlreichen Inseln, auf denen Einsiedler und Mönche leben oder die unbewohnt sind, vorbei und genossen den Sonnenschein und die herrliche Landschaft. Während des Mittagessens nahm unsere "Lenin" wieder Fahrt auf und tuckerte auf dem Ladogasee gen Süden. Am späten  Nachmittag liefen wir in den Swir das Kloster auf Walaamein, den Verbindungsfluß, der den Ladogasee mit dem Onegasee, dem zweitgrößten See Europas, verbindet. Anschließend gab es in der Tschaika-Bar auf dem 4. Deck einen Willkommenstrunk und der Kapitän Wladimir Adie Muendung des Swir in den Ladogaseendrejew und seine Mannschaft stellten sich vor. Als einzigen weiteren Namen merkte ich mir den Namen des Schiffsarztes, Dr. Michail Gorbatschow (sic!). Zum Abendbrot stellte sich uns unsere Dolmetscherin Vera vor. Sie teilte uns mit, daß wir ab sofort zu der Gruppe 4 gehören und sie für uns verantwortlich ist. Nun war Vera die Dolmetscherin mit dem höchsten Alter, den meisten Goldzähnen und dem schlechtesten Deutsch an Bord, wie wir ein paar Tage später noch leidvoll erfahren sollten. Alle anderen waren junge und bildhübsche Mädchen, die fließend Deutsch sprachen oder sie waren wenigstens witzig wie Iren. Nach dem Abendbrot machten wir drei es uns  backbord auf dem dritten Deck gemütlich und verbrauchten einige unserer selbst gekauften Bier- und Weinvorräte. Jeden Abend konnte man sich wirklich nicht die überzogenen Preise der Firma Orthodox antun (bspw. 12,50 EUR für eine Flasche Wein). Aber bei unseren günstigen Getränken hatten wir so gute Laune, daß sich die Nachbarn schon mokierten. Als es dunkel war, begaben wir uns, wie immer, in die Balalaika-Bar und tranken noch einen ukrainischen Pfefferwodka, mit 1,50 EUR das günstigste Getränk an Bord. Nebenbei bemerkt  trinken wir nur in Rußland Wodka, weil das schließlich ein Muß ist.


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auf dem SwirWodkaladen in MandrogiDie Nacht verlief unruhig, passierten wir doch nach Mitternacht unsere erste Schleuse (12 Meter wurden wir angehoben), was mit verstörenden Geräuschen auf dem ganzen Schiff verbunden war. Erst um 8:00 wurden wir von Iwan, dem jungen Dolmetscher mit Zickenbart und Ohrring über Bordfunk geweckt. Danach hörte ich über mir eine Herde Nilpferde durchs Schiff stürmen. Des Rätsels Lösung: Dolmetscherin Iren machte mit einigen Damen Frühsport im Art-Salon über der Balalaika-Bar. Ein Blick aus dem Fenster zeigte eine herrliche Holzanlegestelle und einen Ort im altrussischen Stil: Mandrogi Das Dorf Mandrogi wurde im 2. Weltkrieg total zerstört und war bis 1994 völlig verlassen. Dann kam ein findiger Geschäftsmann auf die Idee, das Dorf als Touristenattraktion wiederaufzubauen und dort junge Handwerker und Künstler anzusiedeln. Wir sollten mittags bei Volksmusik über offenem Feuer gegrilltes Schaschlik bekommen. Nun machte uns an diesem Vormittag der einzige Dauerregen der ganzen Reise dieses Ereignis zunichte. So richtig böse war offensichtlich niemand, weil solch ein Konsumterror offenbar niemandem gefällt.  Zwei Sachen von Mandrogi sind noch erwähnenswert: Wir besuchten dort ein Wodkamuseum mit 2.976 Sorten Wodka, der in allen Formen, Farben und Verpackungen gezeigt wurde. Dort erwarb Mutti eine Flasche Pfefferwodka für 16 Euro. Die andere Sache ist dagegen aber echt wichtig: In der Post des Dorfes stand ein Rechner. Diesen durfte ich für 7 Rubel/Minute (20 Cent) benutzen. Das antike 28.800er Modem in Schuhkartongröße hätte das Fräulein gar nicht anschleppen und anschließen müssen. Ich braucht nur den Chipkartenleser und den Brenner. CD-Rohlinge gab es zum Apothekenpreis von 5 Euro (175 Rubel) an der Kasse. So schnell das russische WiXP und das englische Nero mit kyrillischen Dialogboxen es zuließen, sicherte ich meine Chipdaten auf den Rohling, verifizierte die geschriebenen Daten und hatte dann zum Gesamtpreis von ca. 10 EUR eine funktionierende CD und einen leeren 512-MB-Chip SD. Was ein solcher Chip dort gekostet hätte, wage ich in Anbetracht der 5 Euro/CD nicht mal zu denken. Ich sah nur einen CompactFlash 128 MB, für den man 150 EUR berappen sollte. Das zum Mittagessen servierte bleiche, küchengedünstete Schaschlik war wirlich keine Hommage an die russische Kochkunst. unser SpeisetischEinfahrt in die SchleuseAm Nachmittag klarte es auf und ich war die ganze Zeit draußen und nahm den Anblick der einsamen Ufer und unbesiedelten Weiten der nordrussischen Landschaft in mich auf. Immerhin war aber auch eine Eisenbahnbrücke zu erblicken, in diesen Gegenden eine Seltenheit.  Mutti und Christa gingen zum Russischlernen, andere sangen und tanzten im Art-Club, doch ich stand draußen und genoß jede Sekunde, die mein Auge Wasser und Landschaft erblickte. Genau das reicht mir prinzipiell für einen Urlaub.  Für abends um 6 Uhr hatten wir uns Karten für eine Wodkaprobe besorgt. So trafen wir uns in der Tschaika-Bar und bekamen bei Matjeshäppchen, Fettschnittchen und Gurke fünf Sorten Wodka vorgestellt. Dazu gab es mehr oder weniger witzige Geschichten über der Russen Lieblingsgetränk, die natürlich mit steigendem Pegel immer lauter und begeisterter belacht wurden. Ich besitze alle Witze, da Mutti sie sich von der Moderatorin kopieren ließ; wer Interesse hat, dem erzähle ich die Besten. Kurz nach dem Abendbrot kam die erste Schleuse, die wir bewußt wahrnahmen, die erste hatten wir ja verschlafen. Zettel der WodkaprobeNebel auf dem SwirNun sind Schleusen ja nicht so attraktive Bauwerke und ähneln einander auch sehr, aber es ist schon beeindruckend zu sehen, wie ein Trog, der 240 mal 27 x 8 Meter groß ist, binnen weniger Minuten samt Schiff um 14 Meter steigt. Mit Verlassen der Schleuse besserte sich auch das Wetter. Nun aber raste das Schiff los mit aller Kraft, die die Motoren hergaben. Der Grund, so teilte der Phoenix- Reiseleiter Alexander per Bordfunk mit, war, daß sich hier  bei dieser Wetterlage schnell tückische Nebel bilden. Bei Nebel wiederum dürfen die Schiffe nicht mehr weiterfahren und der Reiseplan gerät durcheinander. Tatsächlich, keiner wollte es glauben, bildeten sich ruck zuck an den Ufern undurchdringliche Nebeln, die bald die Sicht komplett verhinderten. Die letzten Kilometer auf dem Swir kroch die MS "Lenin" wie eine Schnecke und muaßte sich der Führung durch einen Lotsen anvertrauen. Alle waren heilfroh, daß wir noch in der Nacht den Onegasee erreichten und dort die Fahrt nebelfrei fortsetzen konnten. Beruhigt gingen wir ins Bett.

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viele Schiffe legten an Kishi anKirche auf Kishi - NahaufnahmeAls ich am Morgen aus dem Fenster schaute, erwartete mich ein so toller Anblick, daß ich mich so schnell ich konnte, landfein machte und an Deck stürzte.  Wir lagen bereits an der Landestelle der Insel Kishi, die besonders berechtigt, im Welterbe der UNESCO aufgeführt ist. Auf den Ausflug fiebernd nahmen wir unser eireiches Frühstück ein. Daß Nummer 2 nicht da war, störte uns nicht weiter, als sie jedoch überhaupt nicht erschien, wurden wir doch unruhig und beauftragten Vera, sich nach ihr zu erkundigen.  Als sie endlich eilig und ungefrühstückt ankam, stellte sich heraus, daß die allseits untadelige Nummer 2 schlicht und ergreifend verschlafen hatte. Die nunmehr komplette Gruppe 4 wurde von einer sehr schönen, netten und versierten Dolmetscherin mit dem ebenso schönen Namen Anastasia in Empfang genommen und wir wanderten auf Holzplanken über den morastigen Boden zu der herrlichen, ganz aus Espenholz bestehenden Sommerkirche. Herrlich war auch das Wetter an diesem Tag, wolkenlos, 26 Grad und leichte Winde. Wir erfuhren, daß es solch herrliches Wetter da oben nur wenige Tage im Jahr gibt. Der Legende nach soll der Baumeister der Holzkirche nach Vollendung ihres Baus (1714)gesagt haben, daß es noch nie so eine schöne Kirche gab und nie wieder geben wird. Mit diesen Worten soll er die Zimmermannsaxt, mit deren ausschließlicher Hilfe dieser Prachtbau entstand, in den See geworfen haben. Anastasia auf KishiIkonostase in der Winterkirche KishiTatsächlich wurde nur Holz beim Bau der Kirche verwendet. Und tatsächlich ist diese Kirche so schön, daß man spontan jauchzen möchte. Anastasia zeigte uns erst die kleine Kapelle, deren seltsames Glockenspiel uns berührte, erläuterte uns dann das Leben in einem Rauchhaus, zeigte uns Saunen und Wirtschaftsräume und, zu guter Letzt, auch noch die Winterkirche, die direkt neben der Sommerkirche steht. Man bekam einen guten Eindruck vom Leben der Menschen im hohen Norden (wir waren nördlich des 63. Breitengrades). Im Gegensatz zu manchen Schwarzwaldhütten und oberbayerischen Hütten, könnte ich mir vorstellen, daß es in so einem Rauchhaus durchaus auszuhalten wäre. Die Häuser waren nicht nur geräumig und praktisch, sondern auch mit Pfiff eingerichtet und boten durchaus den Komfort und Luxus, den man ganz gerne hat. Wer irgendwie die Chance hat, nach Kishi zu fahren, der nutze diese unbedingt. Hier erfährt man mehr über die russische Seele als in der Großstadt. Noch einmal zurück zum Glockenspiel, das ertönte in unserer Anwesenheit, gegen ein geringes Entgelt, mehrfach und wir hörten mehrere verschiedene Melodien heraus. Eine derartige, unverwechselbare Spielweise hatte ich bis dato noch nie gehört. Anastasia, alle schlossen sie ins Herz, stammt aus Murmansk, wo es im Winter dank des Golfstromes nur minus 12 Grad wird und nicht wie auf Kishi minus 20. Sie ist 23 und ab nächstes Jahr diplomierte Germanistin und hat schon eine Anstellung als Reiseführerin sicher.  In Kishi lebt sie mit einigen anderen Reiseführern während der Semesterferien. Insgesamt wohnen permanent 60 Menschen auf der Inselgruppe, im Sommer 120. Betrübt, dieses herrliche Ensemble schon verlassen zu müssen, gingen wir zum Schiff zurück. Interessenten können bei mir gerne mehr zu dieser Insel und ihren Bauwerken erfragen, ich habe einiges an Material mitgebracht, welches ich an den überall vorhandenen Buden kaufte. Dort gab es selbstverständlich auch Postkarten, von denen ich 10 Stück kaufte.  Dann kehre ich aufs Schiff zurück. Da mir niemand meiner Bekannten folgt, gehe ich in die Bar, um, nein kein Bier, sondern um 8 Ansichtskarten an Freunde zu schreiben. Mal schauen, welche Karten wann eintreffen. (Anmerkung: Mittlerweile trudelten die ersten Ankunftsmeldungen ein. (Die erste am 19.08.05.)). Die Damen verlustieren sich mittlerweile an den Ständen, kaufen Wein u. a. ein, trinken Kaffee u.ä. und wundern sich, wo ich stecke. Endlich wiedergefunden kläre ich sie auf und wir schlendern zum Mittagstisch.  AEinfahrt in die Scheksna-Schleusem Nachmittag durften wir gruppenweise zu einer kurzen Führung auf die Brücke des Schiffes. Wir bestaunten die Unmenge an Schaltern und Hebeln, genossen die prächtige Aussicht auf den See und lauschten den Ausführungen des Kapitäns. Auf dem See können sich schon einmal 4 Meter hohe Wellen bilden, das Flußschiff kann aber nur 2-Meterwellen verkraften.  Beruhigend zu wissen, daß wir nur maximal 80 Zentimeter hohe Wellen hatten. Die Damen gingen zum Russischunterricht und ich lümmelte wieder an der Reling. Gegen Abend verließen wir den majestätisch daliegenden Riesensee und fuhren in den Wytegra-Kanal ein, der Teil des Wolga-Ostsee-Kanals ist und uns auf 6 Schleusenstufen um 76 Meter auf 112 Meter über Null anhob. Bevor das aber begann, hatten wir um 18:00 Uhr in der Tschaika-Bar "Happy Hour". Einige Getränke waren doch tatsächlich um 0,50 EUR gesenkt und damit aber immer noch zu teuer. Dennoch saßen wir oben und genossen die Aussicht.  Plötzlich tauchte mitten im Wasser ein riesiges Gebäude auf, das aber schon deutlich Ruinencharakter hatte.  In Kürze wird das Gebäude für immer im Wasser versunken sein, vielleicht gehören wir mit zu den letzten Reisenden, die es erblicken konnten. Während des Abendbrotes passierten wir die erste Schleuse, diesmal im Verein mit der "Alexander Puschkin", die sich mit uns die monströse Schleusenkammer teilte. Die nächsten beiden Schleusen bekamen wir noch im Hellen beim Draußen sitzen und Quatschen mit, die anderen hörten wir nur noch vom Bett aus und sie hielten uns durchaus vom Schlaf ab.

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meine KabineWellen auf dem KanalNach Morgentoilette und Frühstück nehmen wir das Angebot von Dolmetscherin Shenja wahr und lassen uns von ihr in der Tschaika-Bar über die Situation der Religionen in Rußland informieren. Shenja weiß sehr gut Bescheid  und antwortet auch auf unangenehme Fragen souverän. Wieder lernen wir etwas Wichtiges hinzu. Über 70 verschiedene Religionsrichtungen sind in Rußland vertreten und koexistieren friedlich miteinander. Mehr als 60 % aller Gläubigen gehören der russisch- orthodoxen Glaubensrichtung an. Man fragt sich, wo diese nach über 70 Jahren Sozialismus alle herkommen. Staat und Kirche sind streng getrennt. Die Kirchen finanzieren sich ausschließlich über Spenden. Kleine Anekdote am Rande: Russische orthodoxe Geistliche haben zwei Arten Gewänder. Weiß tragen diejenigen, die kein Zölibat ablegten. Sie können heiraten und auch Kinder haben. Die schwarz gekleideten Geistlichen hingegen haben das Zölibat abgelegt. Nun gestattet es der Glaube, daß man wechseln darf und das auch in beide Richtungen. Insofern hat es der russisch- orthodoxe Priester leichter als der katholische. Nun weiß man, daß sich das Oberhaupt der russisch- orthodoxen Kirche, Patriarch Aleksij, und das Oberhaupt der römisch- katholischen Kirche nicht so grün sind, denn beide betrachten sich selbst als einzig legitimen Nachfolger des untergegangenen Konstantinopel. So hat es in den letzten Jahren nie auch nur eine Begegnung oder gar Einladung der beiden Kirchenoberhäupter gegeben. Natürlich stellte ein Gast der armen Shenja die verzwickte Frage, ob der Patriarch denn mal Benedikt XVI. nach Moskau einladen würde  und wie es mit den Beziehungen beider Kirchen aussähe. Daraufhin antwortet sie schmunzelnd, daß die Beziehungen dann gut würden, wenn die Katholiken eine Päpstin wählten und der Patriarch ein weißes Gewand anzöge...! Nadja zeigt uns das Klosterein Moskwitsch am WolgauferWir sind immer noch auf dem Wasser unterwegs. Wir hatten den Wytegra-Kanal mit seinen sechs Schleusen und den Wasserscheidekanal  passiert. Diese Strecke darf das Schiff nur mit maximal 8 km/h durchschleichen, damit die Uferbefestigungen nicht allzusehr leiden. Tatsächlich kann ich beobachten, wie zerstörerisch und aufmüpfig sich die Wellen verhalten. Nun befahren wir den Kowzha-Fluß, der in den riesigen Weißen See mündet, ein sehr großer Stausee. Auf diesem See liegen bei seinem Übergang in die Scheksna ca. 50 Schiffe wie auf die Perlenkette gereiht und warten geduldig auf ihre Weiterfahrt und Durchschleusung. Passagierschiffe haben Vorfahrt, sind Passagiere doch zeitkritischer als Öl, Holz, Sand und das andere Zeug, was diese Schiffe so transportieren. Beinahe verpassen wir die versunkene Kirche, die, seit der Kanal das Wasserniveau anhob, mitten im Wasser an der Scheksna-Mündung steht. Nun essen wir zu Mittag, während links und rechts an den Ufern gemächlich die wohl schönste Landschaft unserer Reise dahin gleitet. Echte Urwälder, undurchdringliche Mischwälder, die höchstens von Wildtränken unterbrochen werden. Keinerlei Hochspannungsmasten und andere Zeugnisse menschlichen Wirkens, vor allem aber - keine Windkraftwerke, die mittlerweile flächendeckend Deutschland verschandeln - sind zu sehen. Unsere Nummer 2 macht sich am Mittagstisch noch unbeliebter, indem sie einfach herrisch über das von unserem Servierschaf Olga gelieferte Essen bestimmt und sowohl bei der Vor- als auch der Hauptspeise Christas Essen wegfrißt. Sie besitzt nicht einmal den Anstand, sich dafür zu entschuldigen. Gegen 13:00 Uhr tauchen wieder Kuppeln auf, wir sind in Goritzy angekommen. Unsere hiesige Dolmetscherin heißt Nadja. Kloster in der Naehe von GoritziNadja zeigt und erläutert uns ausführlich das Innere und Äußere des Kirill- Beloserski- Klosters. Die Pracht und die Unmenge der Ikonen - hier sind viele der bedeutendsten Ikonen Rußlands ausgestellt - beginnt uns zu erdrücken. Aber auch das ungute Klima in den Räumen auf Grund der Menschenmassen, die sich hier durchwälzen (im Sommer bis zu 13.000 am Tag), macht vielen Besuchern Kreislaufbeschwerden.  Endlich draußen schöpfe ich am See Wasser, soll dieses doch verjüngend wirken. Mal sehen, ob es etwas bringt.  Die Klosteranlagen sind sehr weitläufig und beeindruckend, da sie neben den Kirchen auch trutzige Festungen haben und ganze Wohnanlagen beherbergen. Auch hier lerne ich viel über das alte Rußland kennen. Nadja berichtet von 250 Bären, die in der Gegend siedeln und läßt mich schmunzeln, als sie sagt: "Vegetationsperiode ist bei uns: Juli". Auf der Rückfahrt bekommen wir noch einen phantastischen Blick auf dieses schöne Fleckchen Erde. Wie wir im Bus erfahren, ist dieses Gebiet bekannt für seinen Flachsanbau und tatsächlich biegen sich vor der Anlegestelle die Ladentische mit Leinentischdecken und schönen Klamotten. Da hier auch viel Kleinwild gejagt wird, liegen auch deren Pelze im Dutzend herum. Christa, der es ein schickes Nerzcape angetan hat, und Mutti fangen an zu wühlen. Ich gehe an Bord und in die Balalaika-Bar, um, richtig, um diesmal ein Bier zu trinken. Aber auch diesmal habe ich noch Zeit für eine Postkarte, die für die Nachbarn bestimmt ist und mittlerweile (25.08.2005) auch eintrudelte. Irgendwann trudeln auch die Damen ein. Als wir uns an Bord treffen, muß ich auf Befehl stehen bleiben. Christa und Mutti rennen in ihre Kabinen und kehren zeitgleich mit, ... voila! den gleichen Ponchos bekleidet zurück. Nachdem ich die wirklich schönen Kleidungsstücke an Beiden gebührend bewundert habe, gehen wir an Deck und winken Goritzy beim Ablegen noch ein letztes Mal zu. Christa bedauernd: Ach, hätte ich doch den Nerz gekauft!"    Blick ueber Goritzi zum Kanalmit der MS Puschkin in der SchleuseWeiter geht es auf der Scheksna durch den romantischen, menschenleeren russischen Urwald. Am Abend wirft die Sonne tolle Farbspiele auf die beiden Schleusen, die wir passieren müssen, um in den Rybinsker Stausee zu kommen, ein See, der mit seiner Ausdehnung von mehr als 200 mal 50 Kilometern auch beinahe als kleines Meer durchgehen könnte. An den Schleusen sehe ich übrigens das erste Mal bewußt Schmierereien an den Betonwänden, eine westliche Untugend, die sich hoffentlich nicht so stark in diesem Land etablieren wird. Christa war recht kaputt und wollte sich bis zum Abendessen. Dummerweise hatte sie vergessen, daß sie um 18:00 Uhr die Weinprobe geordert hatte. Seufzend zog sie sich um und war dann recht enttäuscht von der Veranstaltung, die wir wohlweislich nicht gebucht hatten.  Mutti war an diesem Dienstag übrigens beim Schiffsarzt und ließ sich ihre Rheumaspritze verabreichen. 10 Euro verlangte Dr. Gorbatschow dafür, aber das beinhaltete schon Spritze 2 für den 09.08.  Beim Schlendern durch das Schiff vor dem Abendbrot werde ich von den jungen Dolmetscherinnen angesprochen, ob ich nicht am Abend in der Tschaika-Bar als Akteur beim Märchenabend mitwirken möchte. Dankend verzichte ich und traue mich deswegen auch nicht, als Gast dem Abend beizuwohnen. Mutti tat es aber und berichtete noch Tage später, Tränen lachend, von dem Bäuerchen und der Rübe und den Gänseschwänen und was weiß ich noch für Sachen. Ansonsten verging der Abend wieder ruhig. Wir saßen solange draußen, bis die Nachtkühle uns zum Pfefferwodka trieb. Diesen nahmen wir an einem Tisch ein, der schon von einem Ehepaar aus Fallingbostel besetzt war. Man soll sich eben doch vom ersten Eindruck leiten lassen. Die Leute sahen aus wie Alt-68 und so war es dann auch. Wir erduldeten eine knappe Stunde dummes Gerede über Themen und Politiker, die wir sonst nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würden. Als die Fallingbosteler endlich weg waren, ging auch Mutti entnervt. Vom Nachbartisch kam die spontane Mitleidsbekundung einer Dame. Sie wohnt in Ludwigshafen und hatte ihren Mann, der immer sehr mufflig wirkte und so gar nicht zu ihr paßte, nicht dabei. Bis zur Schließung der Bar haben wir uns noch anregend unterhalten und damit das unerfreuliche vorherige Gespräch vergessen.


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Haeuser am Wolgauferder Rybinsker StauseeAm Mittwoch dürfen wir bis 8:00 Uhr schlafen. Diesen Morgen faulenzen wir.  Die einzig wichtige Amtshandlung wäre das Buchen der Ausflüge für Moskau, was insofern entfällt, als Mutti und ich kein einziges Angebot wahrnehmen wollen. Die erste Abwechsung des Vormittags bietet der Programmpunkt Frühschoppen, der ab 11:30 auf dem Sonnendeck gereicht wird. Christa und ich finden, daß zuviel Gedränge herrscht und so gehen wir wieder zu unserem Stammplatz auf Deck 3, um uns von der Balalaika-Bar ein Bier kommen zu lassen. Dummerweise müssen die Kellner Sergej und Andrej aber oben beim Kellnern aushelfen, so daß kostengünstiger meine privaten Biervorräte dezimiert werden. Wir verlassen den Rybinsker Stausee durch eine gewaltige Schleuse, in der unser Schiff richtig klein aussieht und sind nun auf dem "Mütterchen" Wolga, dem größten europäischen Fluß mit mehr als 3500 km Länge und dem bedeutendsten Fluß Rußlands. Wieder gleiten einsame Ufer zu beiden Seiten dahin. Doch sind diese nicht nur mit Wald bestanden, sondern bieten auch mit Wiesen und Feldern Abwechslung für das Auge des Betrachters. Bis zu einem Kilometer breit strömt der Fluß gemächlich dahin, das Wasser benötigt durch die vielen Aufstauungen nun 700 Tage von der Quelle bis zur Mündung. Leider bietet diese Flußveränderung die Lebensgrundlage für hochgiftige Algen, die auch ab und an zu sehen sind. Gelegentlich zieren auch Holzhäuser und Kirchen die Ufer.  Gegen 15:00 Uhr kommen wir in Jaroslawl an. Detail Ikonostase Eliaskirchedie Kirche des heiligen Elias in Jaroslawlprachtvolle Ikonenwand in der EliaskircheDiese mir bis dahin völlig unbekannte Stadt ist eine Perle Rußlands. Mit fast 1000 Jahren ist sie die älteste Stadt an der Wolga. Namenspatron und Gründer ist Jaroslaw der Weise, der an dieser Stelle einen Bären tötete, welcher seitdem das Wappen der Stadt ziert. Gruppe 4 bekommt Juri als Stadtführer zugeteilt. Juri kann kein deutsch, unsere Vera, wie wir jetzt entsetzt feststellen, auch nicht so toll. Die Führung ist optisch schön, akustisch eine Zumutung. In der Kathedrale des heiligen Elias, nach der Besichtigung der Ikonostase, die zu Recht als eine der schönsten gilt,  fliehen wir das erste Mal und verzichten sogar auf den Gesang. Dann haben wir etwas Zeit, um im Stadtzentrum zu bummeln.  Wir identifizieren eindeutig Russenmafia (2 sehr junge Männer, die selbstsicher aus einem voll verspiegelten 100.000-Euro-BMW klettern, den sie im Halteverbot so parken, daß die Fußgänger, auch Mutti und Christa, zur Seite springen müssen) und sehen alte Frauen, die schnöde Plastetüten verkaufen wollen. Ich tausche Geld, damit wir uns einen Kaffee leisten können. Beim nun folgenden Klosterbesuch schützt Mutti Übelkeit vor und wir drei entkommen den gestotterten Erklärungen zu Ikonostasen, die wir auch langsam nicht mehr sehen können. Regenbogen in Jaroslawlein Brautpaar laeutet Glocken in JaroslawlWieder einmal freuen wir uns über unsere Einzelvisa, mit denen wir frei durch die Stadt schlendern können. Wir werden gleich belohnt mit einem Hochzeitspaar, das ein zu restaurierendes Glockenspiel bedient. Der Bräutigam war deutlich mehr an den Glocken denn an seiner wunderschönen Braut interessiert. In einem Buchladen erstand ich den "Kleinen Prinzen" (malenkij Prinz) und wir liefen gemütlich die kurze Strecke zur Anlegestelle zurück. Jaroslawl hat viel Charme und die Menschen wirken aufgeschlossen und lebensbejahend und sind sehr gepflegt und elegant. Rundum zufrieden waren wir sogar so mutig, mit Nummer 2 auf dem Sonnendeck ein Glas Sekt zu trinken, zu dem sie uns schockierenderweise am Mittagstisch eingeladen hatte. Wieso Phoenix gerade ihr eine Flasche Sekt ins Zimmer stellte, blieb uns ein absolutes Rätsel. Draußen war es so schön, daß wir die Attraktion des Abends, eine Tanzshow in der Tschaika-Bar, nur dadurch mitbekamen, daß gut gekleidete Tänzer sich keuchend neben uns ausruhten. Schon beim Abendessen gab es in der Nähe lokale Schauer, so daß sich herrliche Regenbögen bildeten. Dieser Anblick wurde nur durch die Tatsache getrübt, daß der von mir erworbene Granatapfelsaft sich als klebrig- ekliges Zeugs entpuppte, anstatt die Delikatesse zu sein, von der ich seit 1983 so oft träume. Wieder beschlossen wir den Abend in bewährter Weise in der Balalaika- Bar.

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Reisefuehrerin Tamara in RostowMittlerweile hatte man etwas Routine: Aufstehen, Körperpflege, eireiches Frühstück, in der mittlerweile von Olja aufgeräumten Kabine landfein machen, Sonnenbrille, Fotoapparat, links die Rubel, rechts die Euro, Schlüssel an der Rezeption gegen Bordkarte eintauschen und dann raus zu den Bussen. Christa und Mutti saßen schon in Bus 4, vor dem auch schon die leidige Vera lauerte. Ich drängte auf Buswechsel, um dem Radebrechen Veras zu entgehen, aber die Anderen waren zu bequem. Das stellte sich als Glücksgriff heraus, denn unsere Begleiterin Tamara sprach prächtiges deutsch und bereicherte unser Wissen über Land und Leute mit Witz, Niveau und viel Charme. gemalte Ikonostase Rostow WelikiDer Bus fuhr aus dem Jaroslawler Zentrum heraus in die Industriezone, in der "Jarpiwo" gutes Bier mit deutschen Anlagen braut und eine gigantische Erdölraffinerie sich kilometerlang dahin zieht. Weiter ging es auf eine Autobahn, die nur wenige Dörfer in meist  erschreckend zurückgebliebenem Zustand streifte. waren. Ein alter Kamas-LKW lag umgekippt im Straßengraben und 2 Männer, die mit einem Ersatzlaster ankamen, beäugten das Unglück. Wälder und Felder flogen an uns vorbei, der Busfahrer gab gut Gas und recht bald waren wir im 60 Kilometer entfernten Rostow Weliki (dem großen Rostow) eingetroffen. Dort besichtigten wir den Rostower Kreml, eine wunderschöne und sehr gepflegte Bauanlage. Als erstes betraten wir mit der hiesigen Führerin Irina die Erlöserkirche. Dort erwarteten uns nicht die mittlerweile oft gesehenen Ikonostasen, sondern riesige Fresken. Die gewaltige Kirche mit imposanten Akustikllöchern beeindruckte durch ihre prächtige Wandbemalung. Auf einer Hauptwand, die wohl 17x24 Meter oder mehr mißt, wird auf einem einzigen Bild die gesamte russisch- orthodoxe Kirchenlehre sinnhaltig und einprägsam dargestellt. Wir lauschten gebannt der Museumsführerin, die mittels Laserstift einzelne Darstellungen und deren Bedeutung erläuterte. Am besten fand ich die Bestrafungen für Sünder, die ziemlich drastisch demonstrierten, was dise in der Hölle erwartet. Nach kurzem Verarbeiten der Eindrücke gingen wir ins benachbarte Museum, das einige bedeutende Malereien enthält. Mutti konnte sich gar nicht von einem Bild losreißen, welches ein Schüler Ilja Repins gemalt hatte und dem Meister auch im Stil sehr nahe kam und Wolgatreidler darstellte. Holzhaeuser vor dem Rostower Kremlder Glockenturm in Rostow WelikiDie Abteilung des Museums, die sich mit der Sowjetzeit beschäftigte, mieden wir geflissentlich. Nun gab es im Restaurant des Kreml ein endlich mal wohlschmeckendes Mittagessen, bei dem wir nur nicht ganz sicher waren, ob man das Hauptgericht aus dem Töpfchen löffelt oder es vorher auf den Teller legt. Bei einem kleinen Verdauungsspaziergang auf dem Kremlgelände betrachteten wir  noch den gewaltigen Glockenturm und zwei weitere prunkvoll ausgestattete Kirchen, die der ersten allerdings stark ähnelten. Der letzte Programmpunkt innerhalb der Anlage war der Besuch des Email- und Glockenmuseums. Rostow war und ist der größte und bedeutendste Herstellungsort von Emaille (Finift). Die Zeugnisse handwerklicher Kunst konnten wir nun bewundern. Besonders gefielen mir die Malereien, die an schwarz- weiß- Photos erinnerten und eine Tafel, die einen Kalender aus Emaille enthält, auf dem sämtliche Namenspatronen in personae abgebildet sind. Obwohl die Figuren winzig sind, konnte man an ihnen deutlich sehr viele Details entdecken. Abschließend wanderte unsere Truppe durch einen reizvollen Garten an windschiefen Holzhäusern vorbei zu einem See, von dem aus sich ein schöner Blick auf die Gesamtanlage und auch auf das nahegelegene Kloster bot. Zu diesem Kloster machten die Busse noch einen kurzen Abstecher. Wir 3 verzichteten auf einen Besuch der Klosteranlagen. Schon an der Bushaltestelle, aber auch hier befanden sich einige Stände, an denen vielfältige Erzeugnisse der lokalen Emailhersteller angeboten wurden. Mutti suchte sich eine wunderschöne Halskette aus und Christa erstand neben einer Kette eine todschicke Sprungdeckeluhr mit Emailarmband. Jaroslawl - Blick auf die WolgaFahrt auf der WolgaWir nahmen Abschied von Rostow Weliki, das uns allen besonders gur gefallen hatte und fuhren die gleiche Straße wieder zurück nach Jaroslawl. Tamara, unsere Reisebegleiterin, erzählte mit Charme, Witz und auch einem Hauch Wehmut aus dem russischen Leben. So erfuhren wir sehr viel über Renten, Verdienste und die vielen Tücken, die heutzutage die Lebensumstände eines russischen Menschen ausmachen. Am besten gefiel mir an Tamara, daß sie ein freidenkender Mensch ist, der sich eine kluge und eigenständige fundierte Meinung über alles gebildet hat und diese auch ohne Verbiegungen vertritt. Während alle Tamara lauschten, die unsere Fragen beantwortete, sah ich den gleichen umgestürzten LKW am gleichen Platz liegen. Auch die anwesenden Männer hatten sich nicht wesentlich in ihrer Position verschoben. Damit hatte ich ja nun gar nicht gerechnet. Sehr amüsiert hat mich auch das Straßenschild, auf dem die Entfernungen zur nächsten großen Stadt stehen: Archangelsk - 1049 km,  Jaroslawl - 34 km. Ja, Rußland ist ein gewaltiges Land. An Bord zurückgekehrt machten wir uns rasch frisch und fuhren dann in das Erlöser- und Verklärungskloster, um dort einem Chorkonzert beizuwohnen. Mutti zog starke Aufmerksamkeit auf sich, da sie mit ihrer neuen Emailkette und dem eben vor dem Schiff gekauften Leinenoberteil superschick aussah. Kaum haben wir Platz genommen, da betritt auch schon der Chor die - ohne Ikonostase - sehr schön und schlicht eingerichtete Kirche. Es bauen sich 28 Frauen und 12 Herren des Chores "Glas" (deutsch: Stimme) auf und die Leiterin bittet darum, zwischen den Liedern nicht zu applaudieren. Meine Enttäuschung über einen gemischten Chor hält exakt bis zum ersten Ton an, als dieser eindrucksvoll erklingt. Es folgt eine dreiviertel Stunde so atemberaubend schöner Musik, daß ich nicht in der  Lage bin, das in Worte zu fassen. Bei einem Lied singt die Solistin so herrlich, daß niemand im Publikum auch nur wagt, den Hauch eines Geräusches zu machen. Irgendwann strömen auch überall Tränen der Seligkeit und keiner schämt sich. Das Attribut dieses Konzertes kann nur lauten: "perfekt". Mutti kauft eine CD, die mittlerweile auch schon oft gehört und für sehr hörenswert befunden wurde und wir kehren anschließend an Bord zurück. Während des Abendessens kaufen Nummer 2 und Christa Lose für die Tombola. Anschließend sitzen wir üblichen Drei mit einem netten Ehepaar an der Mole und genießen das einheimische Jarpiwo. Vom Naschen am Schaschlik, der verführerisch duftend neben uns gegrillt wird, nehmen wir Abstand, ist doch das Toilettenhäuschen ungeschickt in zu direkter Nähe aufgebaut. Um 22:00 Uhr wird es frisch und wir gehen an Bord. Das müssen wir ohnehin, denn um 23:00 legt unser Schiff ab und fährt weiter Richtung Osten, für mich eine Überraschung, da diese Route nicht auf der herrlichen Karte, die ich täglich mehrfach studiere, eingezeichnet ist. Allerdings kommen wir nicht weit, denn nach wenigen Kilometern läßt die MS Lenin mitten auf der Wolga die Ankerketten rasseln. Der Aufenthalt ist technischer Art, wie ich gegen Mitternacht bei einem Spaziergang sehe und rieche. Wir fassen schlicht und ergreifend nur Kraftstoff an der monströs großen Erdölraffinie von Jaroslawl.

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Ankunft in Kostromaeine der kostbarsten Ikonen der WeltDurch die nächtlichen Geräusche fühlten sich zahlreiche Passagiere gestört. Ich hörte natürlich nichts und stand ausgeruht um 7:00 Uhr auf. Noch während des Frühstücks legte unser Schiff in Kostroma an, unserem östlichsten Reisepunkt. Kostroma liegt in etwa auf dem gleichen Längengrad wie Mekka. Noch vor wenigen Jahren war Kostroma auf keiner Landkarte zu finden, wurden doch dort die sowjetischen Atomraketen gebaut. Nun entblättert sich diese Stadt wieder in ihrer ganzen Schönheit. Heute ist Kostroma auch ein Zentrum der Textilindustrie, was wir unschwer an den Ständen an der Anlegestelle erkennen konnten. Wir fuhren mit einem kleinen Schiff zu einem, welche Überraschung, zu einem Kloster. Dem Ipatjewkloster genauer gesagt. Vorher sahen wir noch an der Mündung des Flusses Kostroma in die Wolga ein riesiges abgetrenntes Feld im Wasser, in dem das geflößte Holz schwamm, um an Land gezogen und vorgetrocknet zu werden. Kostroma ist nämlich auch ein riesiges Möbelbauzentrum. Selbst Ikea läßt dort bauen. Na ja, Holz gibt es dort nun wirklich im Überfluß. Wir legten an der Klosteranlage an, erblickten plötzlich unsere Dolmetscherin Iren und amüsierten uns über ihren treffsicheren Kleidergeschmack.  Unsere Gruppe wurde von Oxana übernommen. Oxana ist gewitzt und berücksichtigt bei ihrer Führung, daß wir "ikonenmuede" sind. Als erstes gehen wir ins Innere der Kirche. Dort singt ein Chor für uns zwei herrliche Lieder und wir sind wieder mal ergriffen. Dolmetscherin Iren mit tollem Kleidergeschmackaltes Holzhaus in KostromaHatten wir schon altrussische Kirchenmusik von Mönchen und Künstlern und Chormusik vom Feinsten genossen, so boten uns die hiesigen Mönche eine Kostprobe russischer Volkslieder. Besonders das zweite Lied der Wolgatreidler ging mir an die Nieren, zumal die Kirche eine traumhafte Akustik bot. Nur Nummer 2, die leider zur Gruppe 4 gehört, fand die Stimmen "klirrend", alle anderen waren begeistert. In der folgenden Pause besichtigte ich die Familiengruft der Bojaren Godunow. Dann führte Oxana uns in das nebenan gelegene Freilichtmuseum, in dem wunderschön erhaltene alte Holzbauten zu bewundern waren. Das Wetter tat ein Übriges für einen perfekten Vormittag. Besonders gut gefiel mir eine kleine Kirche. Mutti beobachtete einen Mitreisenden, wie er mit seiner Kamera auf Motivsuche ging und schickte mich in seine Spur. Das Foto belohnt diesen kleinen Aufwand, es ist das schönste Bild geworden. Nach der Besichtigung brachte und der Bus und durch die Vorstadt mit vielen Gärten und über die Kostroma- Brücke in die Altstadt. Viele der Bauten erstrahlen momentan wieder im alten Glanz. Kostroma ist eine echte architektonische Perle.  Nach dem Großbrand von 1773 wurde die Stadt nach von Zarin Katharina gebilligten Plänen fächerförmig angelegt und von so illustren Leuten, wie bspw. den Tretjakows, mit Palästen und riesigen Prachtbauten bebaut. Wenn ein Multimillionär nicht weiß, wie er sein Geld ausgeben soll, dann gehe er nach Kostroma, dort versickern sicher locker Abermillionen bei der Restaurierung der riesigen Bauten und Straßen.  Wir halten am Standesamt an, aber nicht, um uns die zahlreichen Brautpaare anzusehen, sondern um kurz in das gegenüberliegende Frauenkloster, das der heiligen Jungfrau Maria gewidmet ist, zu schauen. Wieder herrschen Rock- und Kopftuchzwang für die Frauen, weshalb viele andere Mitreisende darauf verzichten. altes Spritzenhaus in KostromaEberesche und Klosterkuppeln in KostromaAuch beobachte ich, wie eine junge Nonne einen Mann, der kurze Hosen trägt, aus der Kirche scheucht. Mutti und Christa lassen sich von besagter Nonne, die überdies ungeniert in der Nase bohrt, nicht ins Bockshorn jagen und schleichen sich in den Innenraum. Ich bin adäquat gekleidet und schaue mir ungehemmt die Pracht im Inneren an. Sei es, daß wir schon so viel sahen oder daß diese Kirche besonders überladen war. Trotz allen Glanzes wirkte diese Kirche unsympathisch. Ich sah mir in Ruhe die alte, wunderschöne Ikone an, mit deren Hilfe, wie es heißt, im 13. Jahrhundert die Tataren vertrieben wurden und ging dann zurück zum Bus, der uns ins Zentrum brachte. Daß Kostroma eine bedeutende Stadt ist, wurde einem spätestens hier klar. Die Bauten, die ebensogut Schinkel erbaut haben könnte, sind überaus beeindruckend. Der auf den ersten Blick schönste Bau stellte sich als Spritzenhaus der Feuerwehr heraus. Daran kann man sicher erahnen, was ich meine. Wir schlendern auf den riesigen Marktplatz, auf dem es zugeht wie auf einem Basar. Tatsächlich sehe ich auch sehr viele Tataren, die diesen Eindruck verstärken. Auf Grund der zahlreichen Wespen fliehen Christa und ich aus dem Getümmel und versuchen, vergeblich, Wodka zu kaufen. Vom Treffpunkt aus, dem zentralen Platz der Stadt, geht unsere Gruppe 4 am Denkmal Iwan Susanins vorbei. Denkmal fuer Iwan Susanin in KostromaSchinkelbau in KostromaDieser Bauer rettete dem Zaren das Leben, indem er die Polen, die dem Zaren nach dem Leben trachteten, im Sumpf in die Irre führte. Er wurde deswegen von den Polen ermordet. Zar Michael I, der später davon erfuhr, entließ dafür Susanins Familie aus der Leibeigenschaft. Dann kommen wir in einen Teil der Stadt, der mich maßlos erstaunt. Die dortigen Arkaden sind gigantisch und scheinen endlos in alle Richtungen zu verlaufen und lassen heute noch die Bedeutung der Stadt als eines der wichtigsten russischen Handelszentren erkennen. Dagegen wirken die Arkaden in München oder Leipzig einfach nur wie David gegen Goliath. Der Bus bringt uns rasch die wenigen 100 Meter zurück zur Anlegestelle und endlich können Christa und Mutti sich an den zahlreichen Ständen austoben, die fast alle einheimische Leinenprodukte anbieten.  Ich gehe kurz aufs Schiff, um mich sommerlicher zu kleiden und beschließe, daß bei dieser andauernden Hitze ein Leinenhemd genau das Richtige für mich wäre. Mutti und Christa haben schon ein paar Sachen erworben und tatsächlich finden wir auch für mich ein feines Leinenhemd, das in dieser Qualität in Deutschland, wenn überhaupt zu haben, sicher das Sechsfache gekostet hätte. Während des Mittagessens legt die  MS Lenin ab und fährt nun die Wolga wieder flußaufwärts Richtung Westen. Die folgenden Stunden scheinen mir die wohl schönsten gewesen zu sein. Gemächlich fließt der mächtige Strom dahin, an den weiten Ufern sieht man ab und zu Spaziergänger, wilde Camper und Angler. Ansonsten gibt es Landschaft pur, das Wetter verwöhnt uns und ich genieße jede Minute in vollen Zügen.  Abschied von KostromaWolga im SonnenscheinGegen 18:00 Uhr passieren wir wieder Jaroslawl und nehmen mit wehmütigen Blicken endgültigen Abschied von dieser schönen Stadt. Einen herrlichen Sonnenuntergang erleben wir schon im Oberlauf der Wolga, den Rybinsker Stausee haben wir nur kurz im Südosten gestreift. Ein weiterer, nahezu perfekter Tag geht zu Ende. Das kann uns auch der in der Bar gereichte Pfefferwodka nicht vergällen, den wir protestierend zurückgeben. Er schmeckt und riecht tranig. Wir bekommen aber einen alternativen Wodka und später noch einen aus der neuen Flasche und die Welt ist wieder in Ordnung.




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das Kloster in UglitschKonsumterror in UglitschBereits um 6:45 Uhr werden wir heute geweckt. Während des Frühstücks legt unser Schiff in Uglitsch an und wir sehen die prächtigen Anlagen des Uglitscher Kreml in Sichtweite vor uns. Heute brauchen wir keinen Bus, denn man kann in wenigen Minuten hinlaufen. Allerdings muß man an mehr als einhundert Verkaufsbuden vorbei, die den Weg zu den Anlagen flächendeckend säumen. Nach der ersten Ikonostase mit den ältesten, wichtigsten, bekanntesten, oder wasweißichfürwelchen Ikonen aus dem Jahre X vom Künstler Y verkrümele ich mich in das Hauptschiff der Kirche, wo wiederum ein Chor singt. Ich locke schnell noch Christa und Mutti von unserer Truppe weg. Im Gegensatz zu den Ikonen wird uns der Gesang nie zuviel und wir genießen die herrlichen Männerstimmen. Wie Christa im Spaß empört meinte, muß offensichtlich jeder Russe eine vollendete Gesangsausbildung erhalten haben. Die gewonnene Freizeit nutzen wir, um uns an den endlosen Reihen der Stände ausführlich die Waren anzuschauen. Hier mußte wirklich jeder irgend etwas finden, so reichhaltig war die Auswahl. Ich bekam für einen Freund, der begeisterter U-Bahnkenner ist,  ein T-Shirt mit dem aufgedruckten Gesamtplan der Moskauer Metro. versunkene Kirche im StauseeAuf der Rückseite des Shirts steht passend: "Nicht anlehnen", genau wie später in der U-Bahn selbst an jeder Tür nachzulesen. Christa und ihr NerzFerner erwarb ich noch ein paar alkoholfreie Getränke, da sich mein Kühlschrank langsam leerte. Mutti suchte lange an vielen Ständen und fand schließlich schöne kleine Spiegel mit Emailbildern von russischen Fürstinnen, die sie für die Mädchen der Verwandtschaft kaufte. Die Mitbringsel für die Jungs fand sie an einem Stand, an dem ein Künstler selbst gefertigte Okarinas (Tonflöten) in lustigen und pfiffigen Formen verkaufte. Das Interessante daran war, daß diese Okarinas 3, 4, 5 oder gar 6 verschiedene Menschen oder Tiere darstellten, je nachdem, wie man sie drehte. Und alle gaben Töne von sich. Mutti wählte fünf Stück ( 3 bis 5 Euro/Stück) aus und bekam noch einen Winzling dazu geschenkt. Kurz darauf beschlossen wir, daß diese Kostbarkeiten nicht in Kinderhände gehören und behielten alle. Rückblickend stellen wir fest, daß wir ruhig noch 10 Stück mehr hätten kaufen können. Christa kam als letzte von uns an Bord und präsentierte voll Stolz endlich eine Nerzstola, deren Kauf sie sich in Goritzy versagt und dieses Versagen seitdem täglich bejammert hatte. Sie hatte endlich auch die Flasche Pfefferwodka, nach der sie seit Tagen suchte, erstanden. Ob wir es schaffen, sie in den verbleibenden Tagen auszutrinken? Es sei an dieser Stelle verraten, wir schafften es nicht. Das Schiff legt gegen 11:00 in Uglitsch ab und passiert die Schleuse zum Uglitscher Stausee. Dieser See ist seltsam geformt. Er ist zwar über 140 Kilometer lang, aber durchschnittlich nur 700 Meter breit und somit leicht mit einem Fluß zu verwechseln. Nur die 10-15 Meter hohen Ufer verraten, daß hier Mutter Natur geholfen wurde. Trotzdem ist auch dieser Anblick sehr reizvoll. Da Wochenende ist und wir gen Moskau fahren, sehen wir vermehrt Wochenendausflügler, Segler, Angler, Spaziergänger und wilde Camper. Am späten Nachmittag legt das Schiff plötzlich an einer Landestelle mitten in der Pampa an. Eine Frau mit Gitarre kommt ans Ufer gerannt und beginnt Lieder zu singen. Die ihr von Bord zugeworfenen Geldstücke sammelt sie zwischen den Liedern eifrig ein. Könnte das eine Geschäftsidee für eine ICH AG sein? Ich frage den Phoenixreiseleiter Alexander, was denn dieser Halt bedeute. Mir wird, wie auch kurz darauf per Durchsage den anderen Passagieren, erklärt, daß die Abwassertanks bis zum Flußhafen in Moskau versiegelt werden müssen, da die Moskwa und der Moskwa-Wolga-Kanal für die Trinkwassergewinnung der 10-Millionenstadt eine wichtige Rolle spielen. Ich sehe auch einige Matrosen, die Müllsacke vom Schiff in die an Land stehenden Container schaffen. Nach diesem technischen Halt zur letzten Abwasserbeseitigung und Müllentsorgung vor Moskau geht die Flußreise in ihre letzte Etappe. Schleuse vor dem Moskwa-Wolga-KanalAls erstes biegt die Wolga nach Westen ab und wir betreten per Schleuse den Moskwa-Kanal. Fünf Schleusen stehen uns noch bevor. Sie werden uns noch knapp 40 Meter nach oben bis auf 162 Meter über Normalnull anheben. Bei der Tombola am Nachmittag, die Mutti und ich nicht mitmachten, gewann Christa ein Lackschälchen,. Nummer 2 hingegen bekam schon wieder eine Flasche Sekt , obwohl sie Alkohol gar nicht mochte. So ein Skandal! Wenigstens schenkte sie die Flasche den Mädels am Souvenirstand und kam glücklicherweise nicht auf die Idee, sie mit uns trinken zu wollen. Vor dem Abendessen gibt es den Abschiedscocktail in der Tschaika-Bar, da ja am morgigen Tag die Flußfahrt schon zu Ende ist. Bemerkenswert ist ein Passagier, der dem Kapitän auf russisch im Namen aller Mitreisenden dankt und diesem damit ein seltenes Lächeln ins Gesicht zaubert. Nach dem Abendbrot stimmen wir unsere Pläne für Moskau ab und genießen wiederum die schöne Luft und das schöne Wetter. Eine Dame spricht mich an, ob es mir wohl etwas ausmachen würde, sie am Folgetag auf meine geplante Metrotour mitzunehmen. Selbstverständlich habe ich nichts dagegen, hatte ich sie und ihren Mann doch schon bei vielen netten Gesprächen kennengelernt.  Nun setzen wir uns wieder nach draußen, holen uns Rotwein und Gläser und füllen in aller Ruhe die Zufriedenheitfragebögen aus. Ich liste an dieser Stelle einmal alle Kritikpunkte auf und weise aber ausdrücklich darauf hin, daß es nicht ums Gemecker an sich geht, sondern um positive Kritik und wir alle diese Reise jederzeit wieder machen würden. Hier ist die Liste:

Angler am Moskwa-KanalFamilienausflug am Moskwa-KanalIch bin gespannt, ob Phoenix auf die Kritik reagiert, denn letzendlich riskiert Phoenix den Verlust von Stammgästen. Das Lustige ist, daß all diese Sachen lächerliche Kleinigkeiten sind, die mit minimalem Aufwand beseitigt werden könnten. Doch nun genug gemeckert und weiter im Text. Moskau harrt unser.





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Um 8:00 werden wir geweckt. Alle sind wie gerädert, die Nacht ist sehr laut gewesen. An den Ufern feierten die Wochenendausflügler am Lagerfeuer lautstark und die Schleusenpassagen taten ein Übriges. Geschimpft wurde besonders über eine auch schlaflose Dame, die ein Deck höher endlose Runden drehte. Wieso sie dazu Stöckelschuhe anhatte, die auf Lärmmaximierung getrimmt waren, blieb allen dadurch Wachgerüttelten rätselhaft. Sicher war es die seltsame, klapperdürre, junge Frau, die man nie essen sah und über die das ganze Schiff sich schon den Kopf zerbrach. Der Vormittag verging gemächlich. Man schlenderte durch das Schiff, bezahlte seine Rechnungen, kaufte günstig solches Zeug wie Kaviar, Sekt und Zigaretten ein oder saß an Deck und betrachtete die Uferlandschaft, die immer urbanisierter wirkte. Da die letzte Reiseetappe zu gut geklappt hatte. wir aber erst um 13:00 Uhr in Moskau anlegen konnten, kroch unser Schiff die letzten Kilometer im besseren Fußgängertempo dahin. Bald sah man die Flugzeuge in einer endlosen Kette von Scheremetjewo II starten, dann kamen Hochspannungsmasten, Schnellstraßen und schließlich zeigten zahlreiche Brücken und Hochhäuser an, daß wir fast am Ziel sind. Nach dem letzten Mittagessen auf dem fahrenden Schiff legt das Schiff gegen 13:00 Uhr am gigantischen Flußbahnhof, der Platz für mehr als 40 Schiffe bietet, am Liegeplatz 1 an. Auf uns warten schon die Busse und unsere Dolmetscherin, diesmal eine reifere Dame mit potthäßlicher Brille, deren Name mir entfallen ist. Die Busse fahren rasch auf den drei- bis sechsspurigen Straßen ins Zentrum und so sehen wir nur bruchstückhaft die vielen Sehenswürdigkeiten. Weißrussischer Bahnhof, Stalins Zuckerbauten, das alte KGB-Gebäude und vieles andere fliegen an uns vorbei und ruckzuck sind wir am Roten Platz. Man merkt am minimalen Verkehr, daß es Sonntag ist. die Basiliuskirche auf dem Roten PlatzBlick ins Kaufhaus GUMNun stehe ich also in der Hauptstadt Rußlands. Noch letztes Jahr hätte ich nie gedacht, daß das je geschehen würde. Der Rote Platz mit seinen weltbekannten Kreml- und sonstigen Anlagen liegt vor uns. Leider ist er aus irgendwelchen Gründen für Besucher gesperrt. Wir versuchen an anderer Stelle, nämlich am GUM, hinzukommen, aber auch dort verwehren uns Polizisten den Zutritt. So haben wir aber wenigstens das GUM gesehen, diese architektonische Rarität des späten 19. Jahrhunderts, in dem mittlerweile mehr als 100 weltbekannte Nobelfirmen gelangweilte schicke Verkäuferinnen herumstehen lassen, denn ein Normalsterblicher kann und will sich dort exakt nichts leisten. Unsere Stadtrundfahrt geht weiter zu einem Park, der einen wunderschönen Ausblick auf das riesige "Neue Jungfrauenkloster" bietet, welches wir uns aber nur aus der Ferne ansehen. Im Park erstehe ich Ansichtskarten der Metrostationen, die mir bei der Ausarbeitung meiner Metroroute behilflich sein sollen. das Wappen der Zaren - der DoppeladlerWeiter geht die Reise auf die Sperlingshügel, wie die Leninberge mittlerweile wieder viel poetischer heißen. Wir bestaunen den gigantischen Bau der Lomonossow-Universität und haben einen schönen Blick über das nachmittägliche Moskau. Der letzte Aufenthalt ist am neuen, von einem Privatmann gestifteten  Denkmal für Peter den Großen, welches unter den Moskauern nicht unumstritten ist, verlagerte dieser doch den Regierungssitz aus Moskau nach dem von ihm gegründeten Petersburg. Mir gefiel dieses Denkmal ausgezeichnet, besonders, da es neu ist und dennoch klassisch schön wirkt. Peterdenkmal in MoskauFast alle anderen modernen Kunstwerke sind häufig nur dekadenter Mist, dieses ist eine Pracht. Dicht neben dem umstrittenen Denkmal konnten wir die größte Schokoladenfabrik des Landes "Roter Oktober" sehen, die im 19. Jahrhundert von den Deutschen Theodor Ferdinand von Einem und Julius Heuss gegründet wurde und heute immer noch gute Gewinne einfährt. Eine so große Fabrik in Blickweite des Kreml, sicher wird das nicht mehr lange so sein und sie wird an der Peripherie neu errichtet werden. Kloster in MoskauMit vielen neuen Eindrücken versorgt kehren wir zum Schiffsbahnhof zurück. Auf dem Schiff fragt mich eine die Dame aus Ludwigshafen, ob sie mit mir die Metrobesichtigung mitmachen könne, was ich bejahe. Mutti möchte ihre Erkältung bekämpfen und an Bord bleiben und so warte ich an Deck auf meine zwei Begleiterinnen. Unsere private Metroerkundungsaktion hat sich schnell herumgesprochen, denn plötzlich stehen zwei mir völlig unbekannte alte Damen vor mir und wollen sich meiner kleinen Truppe anschließen. Während ich noch um eine halbwegs höfliche Ausflucht ringe, rettet Mutti die Situation, indem sie die Beiden mit deutlichen Worten verscheucht und damit sehr brüskiert. Mit einem "Schönen Dank" verziehen sich die Alten und reden kein Wort mehr mit Leuten aus unserem Dunstkreis. Mir sollte es nur recht sein. Wer unbedingt die Metro sehen will und keine Ahnung von der Landessprache hat, für den beginnt ja um 20:45 Uhr der Ausflug "Metro bei Nacht". Christa buchte ihn, denn sie traut sich mit ihrem krankenRücken nicht mit uns alleine in die Großstadt. Endlich habe ich "meine" beiden Damen zusammen und wir ziehen gen Metrostation. Auf dem Weg dahin erfahre ich ihre Namen. Christa Kirschneit ist aus Hamburg und  Christina, wie bekannt, aus Ludwigshafen. Ich löse drei Doppelkarten zu 26 Rubel (75 Cent), bringe uns drei durch den Eingang und schon geht die U-Bahnreise Doppelkarte fuer die Moskauer Metrolos. Laut sind die Züge, aber irgendwann haben wir uns an den Krach gewöhnt. die Lomonossow-UniversitaetMit meinem Postkartenheft und dem Metrofahrplan bewaffnet, lotse ich unsere kleine Gruppe durch 12 der schönsten U-Bahnhöfe. Uns bleibt tatsächlich die Sprache weg. So eine Pracht findet man kaum an Fürstenhöfen. Beeindruckend ist auch die Sicherheit, die ausgestrahlt wird und die vorbildliche Sauberkeit. Auch die Passagiere, vorwiegend junge Mädchen auf dem Heimweg aus den Geschäften, die hier immer geöffnet haben, sind eine Augenweide. Nach 23:00 Uhr kehren wir abgekämpft aber mit strahlenden Augen zum Schiff zurück, das mittlerweile am Liegeplatz 0 liegt. Der Ausflug war deutlich günstiger und sicher auch schöner als in der großen Truppe. Ich bin sehr zufrieden, daß ich so problemlos durch Moskau komme und daß es meinen Begleiterinnen offensichtlich gefallen hat und falle ins Bett.


Metrostation AviamotornajaMetrostation KiewskajaMetrostation Kiewskaja-KolzewajaMetrostation Komsomoslkaja

Metrostation NowoslobodskajaMetrostation Platz des SiegesMetrostation Platz der RevolutionMetrostation Taganskaja-Kolzewaja

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die Eiche, die Juri Gagarin nach seinem Weltraumflug pflanzteDenkmal fuer Marshall Schukow am Roten Platzdie Monsterkanone und MuttiNach dem Frühstück bringen uns die Busse zum Kreml, in dem wir bei Kaiserwetter eine ausgedehnte Führung haben. Ich entdecke auf unserer Tour die Eiche, die Juri Gagarin nach seinem Flug um die Erde pflanzte und Grabstätten von bekannten Personen, wie Kurtschatow, Stalin u. a. m.. Gegen 11:30 Uhr verabschieden wir uns von der Reisegruppe und gehen eigenmächtig durch Moskau. Als erstes brauchen wir Geld, welches wir uns umständlich im GUM besorgen. Mutti holt in einer Apotheke Medikamente gegen ihren immer schlimmer werdenden Husten. Wir stellen fest, daß es alles gibt und auch sehr preisgünstig ist. Direkt am Roten Platz essen wir einen sehr guten Borschtsch und ein prima Beef Stroganoff. Dann ist allerdings auch unser Geld wieder alle. Nach knapp 2 Wochen in Rußland kommen wir offensichtlich immer noch nicht mit dem Kurs zurecht. Nun gut, die Preise in Moskau sind sicherlich auch nicht mit denen auf dem platten Lande vergleichbar. Mutti hat im Kreml in einer Kirche einen schönen Stadtplan von Moskau gekauft. An Hand dieses Planes beschließe ich, daß wir zur Christi-Erlöserkirche laufen. Denkmal fuer den letzten Zaren, Alexander IIAutor mit Löwe am Alexander-DenkmalEs ist zwar nicht allzu weit, aber wir müssen einmal eine sechsspurige Einbahnstraße überqueren. Das ist keine gute Idee, denn die Autofahrer betrachten Fußgänger als Freiwild und fahren alle so schnell um die Kurve, daß die Reifen quietschen. Nach überstandener Mutprobe sehe ich gegen 14:00 Uhr das erste Mal die neue Hauptkirche des orthodoxen Rußland in voller Pracht. Vorher saß ich im Bus immer auf der falschen Seite. Zuerst bewundern wir das erst kürzlich fertiggestellte Denkmal für den letzten Zaren, Alexander II. "Mak Donalds" am Roten PlatzDie beiden Löwen gefallen nicht nur uns, denn praktisch jeder läßt sich mit ihnen fotografieren.
Am erstaunlichsten an diesem schönen Denkmal ist für mich die Tatsache, daß im Jahre 2005 in Rußland für den Zaren ein Denkmal geweiht wird. Man stelle sich vor, in Deutschland würde man nächstes Jahr ein neues Denkmal für Wilhelm I oder Bismarck einweihen! Anschließend gehen wir in die erst kürzlich nach Originalplänen wieder aufgebaute Kirche und stellen fest, daß auch alle Superlative der bisherigen Reise noch locker überboten werden können. Kirchen bauen, ja das liegt den Russen wohl im Blute. Jetzt verstehe ich, weshalb Patriarch Aleksij diese Kirche als Hauptsitz verwendet und sich die Politprominenz in ihrem prächtigen Untergeschoß trifft. Beeindruckend sind auch die Marmorstelen, auf denen alle Gefallenen der  napoleonischen Kriege gelistet sind. Eindrucksvoller kann der Riß zur alten Sowjetära und die Unumkehrbarkeit der neuen Freiheit und Selbständigkeit des Landes nicht erfahren werden als an dieser Stelle, an der zu Stalins und Breschnews Zeiten ein schnödes Schwimmbad auf dem Platz der gesprengten Kirche stand. Obwohl - der Mc Donald's am Roten Platz vorhin schockte auch schon arg. Puschkindenkmal am ArbatTröstlich zu hören, daß das häßliche Hotel "Moskwa", das den Roten Platz seit Jahrzehnten verschandelt, zum 31. Dezember 2005 gesprengt werden soll. Wir fahren mit der Metro zwei Stationen zum Arbat, den Mutti unbedingt sehen möchte. Es ist unglaublich heiß und wir brauchen eine Pause. Kurz hinter der U-Bahnstation gehen wir in ein nahöstlich angehauchtes Restaurant, in dem ich das erste Mal seit 1983 wieder Granatapfelsaft trinke. Leider ist dieser Saft nicht frisch gepreßt, dafür hat das Restaurant aber eine Klimaanlage. Nachdem wir uns akklimatisiert haben, betreten wir den alten Arbat. Und tatsächlich haben die Prospekte nicht gelogen, wir sehen Straßenmaler, die in Windeseile treffsicher zahlende Passanten porträtieren, Liedermacher, Tänzer und schlendern an zahllosen Antiquariaten, Läden und Denkmälern vorbei. Auch finden wir einen Automaten, der sogar Euro ausgibt, die wir teilweise zu gutem Kurs in Rubel umwandeln. Das Moskauer Hardrock-Cafe kennzeichnet auf der rechten Seite das Ende dieser langen Flaniermeile. Rechterhand steht ein Wohnhochhaus in Stalins Zuckerbäckerstil. Am späten Nachmittag trennen wir uns schweren Herzens von diesem schönen Fleck Erde. Ich geleite nun meine staunende Mutter durch einige unterirdische Paläste der Metro und gegen 18:00 Uhr sind wir wieder an Bord. Den Abend verbringen wir geruhsam im Freien und lassen uns am Bug vor der Balalaika-Bar die mitgebrachten Alkoholika schmecken. Unsere Christa war gegen 13:00 an Bord gekommen und hatte am Nachmittag Bekanntschaft mit dem Mann von der anderen Christa, ab jetzt Christa II, geschlossen, mit der ich tags zuvor die U-Bahn unsicher machte. Dieser Herr ist durch einen Schlaganfall halbseitig gelähmt und saß nun die ganze Zeit auf dem Schiff herum. Seine Frau Christa II gab Getränke aus und wir hatten einen wunderschönen Plapperabend, in dessen Verlauf die Idee reifte, Jörg, so der Name des Mannes von Christa II, einfach am nächsten Tag zum Arbat-Bummel und U-Bahn-Erkunden mitzunehmen.

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Diesmal geht der Bordfunk um 7:10 Uhr an. Das sanfte Radiogeplätscher ertrage ich auch heute wieder keine fünf Minuten. Weiß der Teufel, wo man diese Fahrstuhlmusik überhaupt zu kaufen bekommt. Um 8:30 Uhr verschwinden die Reisegruppen mit den Bussen zu ihren Ausflügen in die Stadt. Eine Stunde später brachen wir zu viert auf. Die morgendliche Metro- Hektik war noch nicht vorbei und ich mußte nach Fahrkarten anstehen. Vor mir stand ein Ehepaar mit Tochter, die mir auch von der "Lenin" bekannt waren. Sie berichteten, daß es in Düsseldorf bei 12 Grad regnen würde. Wir hatten ja immer schönes Wetter und konnten das gar nicht glauben. In dem Moment, als sie an der Reihe waren, ging unsere Kassiererin in die Pause und überließ es ihrer Kollegin, die zwei je ca. 100 Mann langen Schlangen zu bedienen. Bilder auf dem alten ArbatHardrock Cafe am alten ArbatWenigstens war die Nachbarschlange so nett und ließ uns im Reißverschlußverfahren hinein, so daß wir doch noch zeitnah zu Fahrkarten kamen. Nun klappte auch alles besser als ich erwartete. Christa II schiebt ihren Mann im Rollstuhl die längeren Strecken, bei Treppen bin ich die Stütze, Rolltreppen schafft Jörg souverän und auch die kurzen Strecken bewältigt er allein. Die einzige Schwierigkeit ist das Einsteigen in die Bahn, da alles recht schnell geht. Aber wir haben ja Zeit und warten im Zweifel auf die nächste Bahn, die ja im Minutentakt anrollen. Sehr positiv fällt uns auf, daß die Leute immer höflich helfen und sofort einen Sitzplatz in der recht vollen Bahn anbieten, sobald sie uns bemerken.Wir fahren kreuz und quer durch die schönsten Bahnhöfe, wobei ich auch diejenigen berücksichtige, die mir noch fehlen. So habe ich schlußendlich alle herausragenden Metrostationen gesehen, die meisten sogar mehrfach. Dann steigen wir am Arbat aus und gehen in das Restaurant "Schech Besch", das wir bereits am Vortag für geeignet befanden, um uns abzukühlen und zu essen. Laut meiner Kartenabrechnung kostete das Essen für alle zusammen 54 Euro, nicht zuviel für zwei Salate aus der üppigen Salatbar und 4 wohlschmeckende Schaschlikplatten und mehrere Getränke, wohl aber unbezahlbar für eine Lehrerin, die im Monat nur ca. 200 Euro verdient. Portraetmalerei am alten ArbatWohnhaus im stalinschen ZuckerbaeckerstilGestärkt und ausgeruht schlendern bzw. rollen wir den Arbat entlang und entdecken allenthalben neue Details, architektonisch faszinierende Häuserensembles, Volkstanzgruppen und Tafeln an den Häusern, die auf berühmte Söhne der Straße hinweisen, seien es Mathematiker, Philosophen oder auch Leute wie Anatoli Rybakow, dessen Buch "Die Kinder des Arbat" mittlerweile internationale Erfolge feiert, während es in der Sowjetzeit nicht erscheinen durfte. Christa II möchte den in Moskau durchaus präsenten Bettlern von den Lunchpaketen abgeben, eine mildtätige Geste. Aber die Bettler haben keinen Hunger und wollen nur Geld (Kopeki, Kopeki...!). Das ist gut zu wissen. Wir schlendern einmal den Arbat hin und einmal zurück mit Kaffeepause, damit das getauschte Geld alle wird. Im Cafe freute sich der Kellner, daß er Deutsche traf, er arbeitete seit Jahren in Lüneburg, Geburtsstadt von Christa II. Ein Gast am Nachbartisch sprach ebenfalls fließend deutsch (Orchestermusiker im Theater Rostock) und bedauerte, daß viele junge Russen im Ausland das Glück suchen. Joerg und Autor am letzten AbendWährend der Kaffeepause hatten wir ausgiebig Gelegenheit, die Leute zu beobachten und stellten wiederum fest, daß wir Deutschen uns im Urlaub schrecklich anziehen und die Russen, besonders die jungen Russinnen, sich dagegen sehr elegant und anmutig präsentieren. Das fiel selbst mir auf und das will etwas heißen. Auf dem Rückweg halten wir noch an zwei besonders schönen Metrostationen und dann geht es zurück zum Schiff, das wir kurz vor 18:00 Uhr bei 33°C und plötzlich einsetzendem Platzregen erreichen. Mutti eilt zu Dr. Gorbatschow, der schon ungeduldig auf sie wartet. Am Abend vernichten wir die restlichen Alkoholvorräte vollständig, erleben einen herrlichen Sonnenuntergang und werten den Tag und die Reise an sich aus, ist morgen doch schon der Abreisetag.


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unsere huebschen DolmetscherinnenDer letzte Tag auf der MS "Lenin" beginnt um 6:45 Uhr. Nach dem Frühstück verlassen diejenigen Gäste samt Gepäck das Schiff, die die Bootsfahrt auf der Moskwa buchten. Wir haben bis 11:45 Zeit. So stellen wir die gepackten Koffer auf den Gang und schlendern dann noch durch den wunderschönen und großzügigen Park, der den Flußbahnhof säumt und über 200 Pflanzensorten enthalten soll. Ich schieße noch schnell ein paar letzte Bilder vom Schiff und dann heißt es Abschied von allen nehmen.  Christa II und Christina winken zum Abschied und Wehmut befällt mich, als Larissa und Alexander von Phoenix sich verabschieden. Der Bus fährt uns zum Flughafen Scheremetjewo II, der im Nordwesten der Stadt liegt. An der Ausfallstraße sehen wir gigantische Einkaufszentren. Die Dolmetscherin (die mit der Brille) berichtet, wie es früher zuging, wenn man Möbel kaufen wollte und ich sehe eine ewig lange Autokolonne, die in den ersten bezahlbaren Supermarkt nach den Stadtgrenzen Moskaus hinein möchte. Am Flughafen klappt zunächst alles reibungslos aber was dann passiert, ist geeignet, einem den ganzen Urlaub zu vergällen. Bei der Gepäckaufgabe stehen über 100 Menschen an und es passiert erst einmal überhaupt nichts. Dann bequemt sich eine Frau, gemächlich im 3-Minutentakt einen Passagier abzufertigen. Selbst als ein zweiter Schalter aufmacht, ist die Durchlaßfrequenz bei 1/2 Person/Minute. Ich überschlage im Kopf, daß somit die letzten Passagiere nicht ins Flugzeug gelangen können. Die Stimmung ist gereizt, zumal die Nachbarschlange sich geschickt vorzumogeln versteht und scheinbar an unserem Schalter nichts passiert. Als ich nach über anderthalbstündiger Warterei meinen Koffer abgeben darf, vertut sich die Tussi auch noch und muß alles noch einmal erfassen. So werde auch ich zum 5-Minuten-Fall. Wäre ich nicht so ausgeruht gewesen, so wäre ich ob der hirnlosen Bürokratie und fragwürdigen Organisation und völlig fehlenden Koordination sicherlich ausgerastet. So habe ich diesen unangenehmen Teil verdrängt. Wenigstens mußten wir dann nicht mehr lange warten, bis wir ins Flugzeug steigen konnten. LTU begrüßte uns wieder, ich hatte den rechten Fensterplatz in der zweiten Reihe, die ich mir mit demselben netten Ehepaar aus Bad Salzungen teilte, wie schon beim Hinflug, welch ein Zufall. Mutti saß irgendwo hinten, Christa vor mir. Das Flugzeug startete bei herrlichem Wetter auf die Minute genau und durch günstige Windverhältnisse betrug die Gesamtflugzeit nur gut 2 Stunden. Somit hatten wir nach dem Uhrumstellen keine 15 Minuten von Moskau nach Berlin gebraucht. Das Flugzeug landete so butterweich in Tegel, daß man es kaum bemerkte. Dafür hatte es uns aber während des Fluges gut durchgeschüttelt. Wir verabschiedeten uns schnell von Christa, die nach Frankfurt weiter fliegen mußte und holten unser Gepäck. Das Begrüßungswetter in Deutschland taugte mit 14°C und Dauerregen überhaupt nichts. Ich telefonierte mit dem dauerkappentragenden Nico, der uns auch sofort samt Gepäck zu Muttis Auto brachte, das uns dann im Dauerregen schnell (Anmerkung: Post aus Leipzig mit Zahlschein über 25 Euro Verwarnungsgeld) und sicher nach Hause brachte. Trotz einer Essensrast im Fläming waren wir gegen 18:00 Uhr wieder bei Mutti in der Wohnung, wo sofort die Waschmaschine viel Arbeit bekam. Damit ging ein vielseitiger Urlaub zu Ende, in dem wir sehr viele interessante Menschen kennenlernten, Kulturdenkmäler und Landschaften sahen, die uns unvergeßlich bleiben werden und überdies mehr über die russische Geschichte hautnah erfuhren, als es irgendwelche Medien je vermitteln könnten. Ich als "Kenner" der Russen mußte viele Vorurteile revidieren und sehe nun auch die politische Lage und eigene Probleme durchaus aus einem anderen, distanzierteren Blickwinkel. Jedem, der noch nie in Rußland war, kann ich so eine Reise wärmstens empfehlen.

 Wolgaimpressionen Sonnenuntergang auf der Wolga irgendwo im Niemandsland

Nieder-Olm im August 2005

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