Apr 302020
 

… Internet der vergangenen Tage.
Es war Mitte der 90er Jahre, da mußte man, um ins Internet zu kommen eine Telefonleitung benutzen. Telefonleitungen, das waren elektrische Kabel, die seit den 80er Jahren und diesmal meine ich die 1880er Jahre, verlegt worden waren, eine über 100 Jahre alte Technik.

Die Telefonleitungen waren für Sprachübertragung optimiert und für (binäre) Computerdaten eher ungeeignet.

Also mußten die Binärdaten in hörbare Töne ungewandelt werden und die hörbaren Töne wieder zurückverwandelt werden in binäre Daten. Die Fachwelt spricht nicht schnöde vom Verwandeln, sondern nennt es modulieren. Aus MODulieren und DEModulieren wurde das Kunstwort MODEM für das Gerät geschaffen, daß beide Sachen kann.

Erste Modems oder deren einfache Vorgänger, die Akustikkoppler, schafften jämmerliche Übertragungsraten. Beim Download krochen bestenfalls 1.200 Bits in der Sekunde, im Upload gar nur 75 Bit pro Sekunde. Also hätte der Download eines Megabyte Daten Dank Overhead etwa 2 Stunden gedauert, der Upload eines Megabytes hingegen mehr als einen Tag gedauert. Nun wurde das Telefon nach Minuten abgerechnet, üblich waren tagsüber 8 Pfennig (4 Cent) pro Minute. Also hätte der Upload eines Megabyte mehr als 50 EUR gekostet (Nachts war es günstiger).
Um in dieses ominöse Internet zu kommen, mußte man das MODEM anweisen, sich ins Internet einzuwählen.

Bei der Telekom (ganz früher Bundespost, damals hieß sie T-Online) war die lokale Rufnummer bundeseinheitlich

0191011

Wenn das MODEM diese Nummer wählte (^ATDT bzw ^ATDP) dann ging der Telekomserver ran und nach Eingabe der Zugangsdaten wie etwa

5200755630001414141214#0001@t-online.de

war man im Internet. Aufgrund der lahmen Performance benutze man aber keine byteschluckenden Browser (Mosaic war der heisse Shyce, der Opa von Mozilla und, ja auch vom Internet Explorer), sondern man benutzte so abstruses Zeug wie Fido, MausNet, IRC usw.

Darum soll es aber nicht gehen.

Heute, am 30.04.2020, wird die Deutsche Telekom um Mitternacht die 0191011 abschalten. Damit entfällt die Möglichkeit, mit einem analogen MODEM über die Telekom ins Internet zu gehen.

Nicht, daß das jemanden interessiert, aber genau wie bei der Abschaltung der Langwelle endet wieder ein spannendes Kapitel Technikgeschichte.

Mir ist tatsächlich eine Person bekannt, die diese Zugangsmöglichkeit bis heute nutzt(e).

Lebe wohl, gute alte Analogtechnik! Ich habe hunderte DM in Dich und die Gebühren versenkt, stundenlang Zeit in Mailboxen verplempert, dank Hamster das Usenet offline gelesen und die Bundespost mit illegalen us-robotic-MODEMS ausgetricktst. Diese Phase ist morgen EDV-Geschichte.

 Posted by at 8:46 pm

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