… anderer Stelle über verzerrende Begriffe wie Alleinerziehende, friedliebende Muslime und eben Auszubildende echauffiert, so ist heute das Turbo-Abitur dran, vor meinem gnadenlosen Blick Federn lassen zu müssen.
Überall liest man Turbo-Abitur und beklagt heuchlerisch, wie schwer es doch die armen Kinder nun haben würden.
Dabei hat das Wort Turbo, zumindest im Zusammenhang mit Motoren, einen überaus positiven Klang, haucht doch ein Turbolader einem schwachbrüstigen Saugdieselmotor erst einmal soviel zusätzlich Leben ein, daß er durchaus Benzinmotoren das Fürchten lehren kann.
Nun bekommt Turbo aber im Zusammenhang mit dem Abitur eine negative Konnotation. Da schwingen Nuancen wie Oberflächlichkeit, Beschleunigung, Verfrühung, Streß usw. mit.
Ich betrachte die Diskussion als ausgemachten Schwachsinn. In den meisten Industrieländern fällt der höchste Schulabschluß ungefähr mit der Volljährigkeit zusammen und markiert somit dem Jungerwachsenen auf zweierlei Art den neuen Lebensabschnitt, während in Deutschland der Abiturient dank Wiederholungsjahr, liebevoll Ehrenrunde genannt, und/oder späterer Einschulung meist schon dem 20. Geburtstag näher ist.
Dann braucht man sich freilich über alte Studenten (nein, nicht mich :-)) und späten Berufseinstieg nicht wundern. Und auch nicht darüber, daß Lehrlinge (viele Lehrbetriebe nehmen nur noch Abiturienten an) und Studenten meist bildungsunwillig und unbelastbar erscheinen.
Fielen weniger Schulstunden aus, würden die Lehrpläne entschlackt und hätte man ab und zu auch mal am Samstag Unterricht bzw. würden die Ferientage behutsam gekürzt, so wäre es überhaupt kein Problem, in 12 Jahren zu einem qualifizierten Abitur zu gelangen. Und man hätte schon einen Hauch von Ahnung, was einen in Zukunft erwartet.
Das Gejammer ums Turbo-Abitur ist durchaus kontraproduktiv.
Feb 212008
Der Fehler liegt nicht im System, da hast du sicherlich Recht, sondern in der Umsetzung.
Wenn man einen Turbolader einbauen will, muss man sich auch darum kümmern, dass der Rest vom Auto darauf abgestimmt ist.
Wir hecheln dagagen blind den großen Nachbarjungs hinterher und bauen den Turbolader in unseren Trabbi ein…
Klar, dass da alles ächzt und stöhnt.
Aber die Probleme liegen doch viel tiefer.
Der Lehrer als Respektsperson? Ich hatte in meiner Schullaufbahn exakt zwei Lehrer (vom alten Schlag), die ich als solche bezeichnen würde. Der Rest war nicht unfähig (nugut, zu einem nicht vernachlässigbaren Teil schon), aber meine Klasse damals hatten nur echt wenige Lehrer im Griff 🙂
Und wenn ich mir die Hanseln aus meinem Uniumfeld anschaue, die dann in ein paar Jahren auf die Kinder losgelassen werden, dann kann ich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Ebenso, wenn ich mir den heutigen Unterricht an der Grundschule so anschaue, was da für Zeug an den PHs beigebracht wird, brr. Hinsetzen, lernen, das gibts nicht mehr. Ist veraltet. Hat sich als Fehler herausgestellt. Sagen irgendwelche Pädagogen. Stattdessen gibts in der kompletten Grundschule nur noch Sparprogramm, man spielt, statt zu lernen, man zündet Problemkerzen an, statt Strafen zu verteilen. Und dann wundert man sich, wenn die armen Kinderlein völlig überfordert ins Gymnasium kommen. Wie lange es wohl dauert, bis die Konsequenzen draus gezogen werden und auch an den weiterführenden Schulen der sogenannte Frontalunterricht ab- und der spielerische Unterricht angeschafft wird?
Ich freu mich schon richtig drauf, wenn ich mal in Rente bin und die ganzen Pappnasen, die heutzutage von 5-minütigen Zeichentrickserien überfordert sind, dann in der Politik sind. Ich werd dann vermutlich nicht mehr in Deutschland sein, falls es das bis dahin überhaupt noch gibt und nicht Bertelsland heisst.
@elzoido
da kann ich nur zustimmen, die Grundschule ist das wahre Problem!
Z.B.: Man muss nicht Mozart heißen, um mit 5 oder 6 Jahren ein Instrument zu lernen, aber ich weiß von anderen Eltern, dass hierzulande in der 2. Klasse noch auf Joghurtbecher eingetrommelt wird. Aber ein Notebook sollen sie haben, noch bevor sie richtig lesen können.
Hier läuft (in fast jedem Bundesland) am meisten schief und die weiterführenden Schulen versuchen’s dann händeringend wieder einzufangen.
Was ich bisher mitbekommen habe von der Diskussion, richtete sich hauptsächlich gegen die beschissene Umsetzung des „G8“. In Thüringen und Sachsen sieht man doch, dass es auch geht, ohne die Kinder zu überfordern. Klar müssen die Kinder mehr tun als wenn sie 13 Jahre Schule hätten, aber das ging bei mir schon in der Grundschule los. In der 4. klasse gab es einmal in der Woche sieben Stunden. Geheult hat da aber keiner. War halt so, konnteste nicht ändern. Also maul gehalten, durchgestanden und dafür nach den Hausaufgaben umso lieber draußen gespielt…
Unserem Bildungssystem krankt es an vielen Stellen:
Da sind zum einen die zu großen Klassen, die gerade in den unteren Klassen fatal sind. Bei 30 Kindern im Raum kann sich ein Lehrer nicht vernünftig um die Kinder kümmern. Jedenfalls nicht um die Kinder von heute.
Dann gibt es die inkompetenten Lehrer. Die zwar fachlich gut sein mögen, aber nicht in der Lage sind, das Wissen zu vermitteln und/oder die Klasse im Griff zu haben.
Da ist auch der Begriff der Pädagogik, der heutzutage total verweichlicht ist. IMO hat Pädagogik nichts damit zu tun, einen Kuschelkurs zu fahren. Ein guter Pädagoge nimmt zwar auf das Kind Rücksicht und wird es zu vermeiden wissen, das Kind zu überfordern. Aber es wird ihn nicht davon abhalten, das Kind zu fordern und es so immer weiter zu bringen, zu immer besseren Leistungen anzuspornen. Aber anscheinend haben die meisten Lehrer so eine Angst davor, ihre Schüler zu überfordern, dass sie den Anspruch auf 0 runterfahren.
Da sind die Lehrpläne, die dringend entschlackt werden müssten. Als ich nach Hessen kam, lernte ich in der 10. Klasse den Satz des Pythagoras. Den ich in Thüringen schon in der 7. oder 8. Klasse hatte (das nur mal als Beispiel). Dann ist ein Abitur nach 12 Jahren auch ohne großen Stress möglich.
Eines der größten Probleme sind aber die Eltern. Gut, da kann das Bildungssystem wenig dran ändern, aber dennoch spielt die elterliche Erziehung eine große Rolle. Wenn Eltern dem Lehrer die Hölle heiß machen, weil der ein Kind, das bewusst mehrfach die Schulstunde massiv gestört hat, auf den Flur schickt oder er ein Kind umsetzt, weil es mit dem bisherigen banknachbarn nur Unsinn gemacht hat, dann läuft was schief. Wenn Eltern meinen, sie wüssten mehr vom richtigen Umgang mit Kindern als eine Frau, die Lehramt studierte und seit 30 Jahren Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringt, dann läuft da was gehörig schief. Und wenn Kinder der Lehrerin ein „Du bist nicht meine Mutter“ an den Kopf knallen, weil sie 2+2 rechnen sollen und die Eltern das völlig in Ordnung finden, dann läuft alles schief.