Wow, da hatte ich wohl Schlaf nötig gehabt, denn ich hatte fast 10 Stunden wie ein Stein geschlafen. Nun aber rasch Morgentoilette, sehr gutes Frühstück und dann war es auch um 8:00 Uhr. Wir hatten diesen Zeitpunkt mit Luisa ausgemacht, um mehr Zeit zu haben. Individuelle Reiseführer sind eine feine Sache, sie kennen sich vor Ort prima aus (zum Beispiel wissen sie immer, wo man taugende Toiletten findet), kennen Tricks und Kniffe, lassen sich nicht übers Ohr hauen und sind flexibel. So auch heute, denn statt dem geplanten Marktbesuch in einer Stadt (schon wieder!), standen der Besuch einer Kaffeeplantage und einer Textilgenossenschaft auf unserem Programm.
Erst einmal fuhren wir mit einem Boot ans andere Ende des zu dieser Zeit romantisch ruhigen Sees, nach San Juan La Laguna. Dort nahmen wir (das erste Mal überhaupt) ein Tuktuk und fuhren zu einer Kaffeegenossenschaft. 1992 gegründet, leben mittlerweile 160 Familien von und um den Kaffeeanbau. Der sehr freundliche und kompetente Gründer zeigte uns voller Stolz und sehr ausführlich, jeden einzelnen Schritt bei der Herstellung des Kaffees. Praktischerweise sahen wir in unmittelbarer Nähe Kaffeepflanzen im Schatten von laubarmen hohen Bäumen. Wir waren über 1500 Höhenmetern, endlich wußte ich wirklich, was Hochlandkaffee bedeutet.
Die Pflücker bringen die roten Kaffeefrüchte in die Genossenschaft. Dort werden die Säcke gewogen und die Bauern bezahlt. Dann wird die Frucht in diversen, hier aber sehr nachvollziehbaren Schritten gewaschen, von der Schale befreit, fermentiert und auf langen Bahnen getrocknet. Jede Stunde werden die Bohnen händisch mit einem Holzrechen gewendet, bis sie ordentlich im milden Klima getrocknet sind und dann per Hand in riesige Säcke verladen.
Diese Säcke werden dann per Schiff vor allem nach Kalifornien verschifft, wo bspw. eine Fa. nachdem Starbucks Unmengen davon aufkauft und nach eigenem Gusto röstet. Ein geringer Teil wird vor Ort geröstet und/oder gemahlen und verkauft. Wir hatten zum Schluß Gelegenheit, diesen Kaffee zu genießen, denn trinken wäre zu profan, er schmeckte wirklich ausnehmend gut.
Mein deutsches Ingenieursherz mußte hier zurücktreten. Natürlich könnte den Kaffee auch eine seelenlose graue Fabrik viel effizienter, schneller und personalarm produzieren, aber wozu? Hier haben 160 Familien ein Auskommen und hier kann man den Prozeß noch zu 100% nachvollziehen. Jedenfalls hat mir das Projekt sehr gefallen und ich wünsche den Betreibern weiterhin viel Erfolg.
Damit war unser Ausflug in die guatemaltekische Wirtschaft noch nicht beendet. Das Tuktuk, es hatte gewartet, brachte uns zu einer weiteren Genossenschaft. Hier hatten sich Witwen zusammengetan, um heimische Textilien gemeinsam herzustellen und zu vertreiben. Die Männer waren meist im Bürgerkrieg geblieben, der bis 1996 über 200.000 Menschen, vor allem Indianer, denen man per se (und sicher nicht ganz zu Unrecht) eine Zusammenarbeit mit den Freischärlern unterstellte, das Leben kostete.
In der Textilgenossenschaft zeigte uns eine junge Mitarbeiterin ebenfalls in allen Einzelschritten, wie man Textilien herstellt. Die dort wachsende Rohbaumwolle wurde gesammelt, mit einem Holzstab geklopft und verdichtet und dann spann sie vor unseren Augen einen schier endlosen Faden aus dieser Baumwolle.
Dann sahen wir wie aus Hibiscusblüten, Roten Beeten usw. ein Sud gekocht wurde, in dem das Stoffknäuel getaucht wurde. Und es nahm die kräftige Endfarbe an, ohne diese wieder abzugeben.
Dann wurde uns noch der dort übliche Hüftwebstuhl vorgeführt und in allen Einzelheiten gezeigt, wie ein Tischläufer entsteht. Tischläufer (camino de mesa?) sind eine Spezialität in Guatemala, ich habe vor lauter Schreck auch gleich zwei gekauft. Einen davon kann man bei mir zu Hause bewundern, der andere ist bei Muttern an der Ostsee.
Die Herstellung der benötigten gefärbten Fäden nimmt eine 40-Stundenwoche in Anspruch. Das Weben eines normal großen Tischläufers dauert noch einmal 40 Stunden. Insgesamt stecken also 80 Stunden Arbeit in einem Tischläufer. Im Verkauf erlösen die Frauen dafür 175 Quetzales, den Stundenlohn möge man lieber nicht ausrechnen. Und dann handeln die meisten Touristen den Preis auch noch runter…
Es war also ein interessanter Ausflug in die Kleinwirtschaft und wir waren unserer Luisa dankbar, daß wir mit ihr hierher gekommen waren und nicht, wie geplant, einen weiteren Markt besucht hatten.
Wir gingen zu Fuß noch in Ruhe durch das Örtchen, bewunderten die zahlreichen kreativen Hausbemalungen und setzten dann mit dem Boot ins benachbarte San Pedro La Laguna über. Dort verzichteten wir (leider) auf ein Tuktuk und gingen den endlosen, steilen Berg zur Klosterkirche empor. Eine tolle Aussicht entlohnte die Ministrapaze. Interessant fand ich, daß in der dortigen Mission kostenlos Kranke behandelt werden. Das nutzen nicht nur Indianer, für die dieser Dienst eigentlich gedacht war, sondern auch ausgestiegene Hippies aus aller Welt, von denen es dort sichtbar viele gibt, sondern auch Obamas Landsleute gehen dort heimlich hin, um sich heilen zu lassen.
Wir bummelten zur Anlegestelle zurück, schauten diverse Lädchen an, kauften wohl auch etwas und kehrten dann am Seeufer in ein Restaurant ein. Dort gab es ein Mittagsbier und Guacamole (Dip aus Avocados) mit Tortillas.
Für kurze Aufregung sorgte ein Straßenköter, der am Steg ins Wasser gepurzelt war. Er wurde aufopferungsvoll gerettet und trabte dann wie ein sprichwörtlich begossener Pudel von dannen.
Da wir nicht in den Xocomil (ein heftiger Nachmittagswind) kommen wollten, fuhren wir in aller Ruhe zum Hotel zurück, machten aber einen kleinen Umweg über San Sebastian La Laguna.
Gegen 14:00 Uhr waren wir wieder im Zimmer. Ein Stündchen Ausruhen und dann erkundeten wir noch einmal die Via Santander, die Haupteinkaufsstraße von Pana(jachel). Und, man glaubt es kaum, endlich wurde ich fündig, nachdem ich in gefühlt 100 Geschäften nach einem schönen, kleinen, bezahlbaren Quetzal gesucht hatte. Nun hatte die liebe Seele ihre Ruhe. Ich holte noch ein paar typische Ölbildchen und Krawatten und anderen Kleinkram.
Ich muß hinzufügen, daß ich vor den Einkäufen mein lokales Geld aufgebraucht hatte. Nun wollte ich am Geldautomaten Nachschub holen, was sich als gar nicht so einfach erwies, da die Automaten anders funktionieren. So muß man die Karte nur kurz einstecken und sofort wieder entnehmen, sonst geht nichts. Und andere Ungereimtheiten. Im dritten Anlauf erhielt ich endlich Bares und so stand dem oben stehenden Einkauf nichts im Wege.
Im Hotel entledigten wir uns der Einkäufe und … gingen nochmals durch die Via Santander und nochmals zum Café Atlantis. Dort trafen wir uns … mit unserem Rafael, der mit einer anderen Reisegruppe heute eingetroffen war und nun frei hatte. Wir feierten unser Wiedersehen (und unseren Abschied) zünftig. gegen 22:00 Uhr verabschiedeten wir uns. Als Absacker teilten wir uns noch eine (sehr kleine) Flasche Rum auf dem Balkon und dann ging auch dieser schöne Tag zu Ende.
Morgenstimmung auf dem Atitlansee.
Mag irgendwer Ziegenmilch? Ganz frisch gezapft direkt vor dem Hotel.
Luisa mit den Vulkanen Toliman und Atitlan im Hintergrund.
Luisa und ich vor unserem Tuktuk. Das 3 PS(?)-Motörchen hatte schon Mühe, uns vier die steilen Hänge hochzubringen.
Der Gründer erklärt Luisa und mir, wie man Kaffee herstellt.
Hier trocknet der Kaffee.
Einsacken per Hand.
Rohkaffee – versandfertig.
Mein Hotelzimmer vom See aus gesehen.
Häufiges kleines Mittagessen – Guacamole mit Tortillas.
Ein Beispiel für die schönen Bemalungen der Häuser, hier der Atitlansee als Karte.
Ganz offensichtlich ist hier ein Internetcafé.
So sieht also Baumwolle aus.
Hier wird sie gesponnen.
Jetzt ist die Wolle gefärbt.
Nun kann sie verwoben werden.
Der Autor kauft zwei Ölbildchen.
So sehen die meisten der Bilder aus, die (naive) Vogelperspektive ist sehr beliebt.
Die Ziegenmilch schmeckt wahrscheinlich besser als die Plörre, die vorher in der Pepsi-Flasche war 😉
Da bin ich mir sogar sicher 🙂