Am 31.03.2011 wurde der Newsserver der Deutschen Telekom abgeschaltet. „Zu wenig Nutzer, die Leute können in Webforen gehen, unmodern“, so die lapidare Begründung, die sich irgendwo dezent in den FAQ versteckt.
Nun wird das diejenigen, die das Usenet nie kennengelernt haben, nicht stören und die, die vor Jahren in Webforen abgewandert sind oder sich aus anderen Gründen dem Usenet abgewandt haben nur ein Schulterzucken entlocken. Klar, die Glanzzeit im (deutschsprachigen) Usenet ist deutlich vorbei, in den meisten Gruppen herrscht gähnende Langeweile, es fehlt an Nachwuchs (der nie kommen wird), an Themen (meist alles episch ausgewälzt zu Ende diskutiert) und an Reaktionen (man kennt sowieso schon alle und alles).
Dennoch gibt es einige Usenetgruppen, die voll im Leben stehen und deren Lektüre Spaß bereitet und bildet.
Ich selber, der mehrere Jahre aktiv im Usenet teilnahm und seitdem immer „aktiv“ lurke wurde jedenfalls vom Abschalten des Servers kalt erwischt. Mittlerweile habe ich einen Ersatzserver am Laufen, aber man kann davon ausgehen, daß das ein weiterer und erfolgreicher Todesstoß für das Usenet ist. Der erste Dochstoß wurde übrigens vor 10 jahren von Google geführt, die das finanziell angeschlagene, aber bis heute unerreichte Deja News übernahmen und so verkrüppelten, daß es kaum nutzbar ist und man sich auf Ergebnisse nicht mehr verlassen kann. Den zweiten Todesstoß vollführte der technische Fortschritt in Zusammenarbeit mit dem Nachlassen der Aufmerksamkeitsspanne und der Zunahme der Informationsflut.
Oder einfacher: der Nachwuchs blieb aus, es gab viele neue (und bequemere) Möglichkeiten der Kommunikation.
Das kann man bedauern und sich dagegen stemmen, aber ändern kann man es nicht. So bleibt einem die Erinnerung an eine sehr schöne Onlinezeit, wo man noch eine hohe Diskussionskultur hatte und pflegte, wo man „unter sich“ war, wo man unheimlich viel echtes Wissen von echten Menschen erhielt.
Erstaunlich im Nachhinein ist, daß man am Auf- und Niedergang des Usenet sehen kann, wie beliebig, wie kurzfristig und wie oberflächlich unsere Zeit geworden ist. Ich lernte das Usenet erst 1999 kennen, da hatte es seine Glanzzeit und war doch erst wenige Jahre verbreitet (wer hatte 1995 schon einen Computer mit Internetzugang, der bezahlbar war?).
Gerade im Zusammenhang mit der neuen Serie Futurama von Simpsons-Schöpfer Matt Groening, war das Usenet für mich DER Platz, an dem man sich am besten über diese Fernsehserie informieren und austauschen konnte. Doch noch mehr galt das später für die Simpsons. Durch die Newsgroup de.rec.tv.simpsons entstanden seit 1999 so viele persönliche Kontakte, Freundschaften, Treffen usw., das diese Geschichten ein gelungenes Beispiel für die Vorzüge des Netzes bilden.
Mit dem Niedergang der Simpsons, dem Umschwenken der neuen Fans auf Webforen und auch dem Erwachsenwerden (viele Nutzer waren 1999 noch Schüler) wurde es dann Jahr für Jahr immer stiller.
Wo zu Hochzeiten täglich mehr als 100 Beiträge zu lesen waren, gab es diese Posting-Anzahl wenig später nur noch im Monat. Seit zwei Jahren ist die Newsgroup faktisch tot, ein Löschantrag nur noch Formsache.
Vom Aufleben zum Sterben in weniger als einer Dekade, das ist wirklich kurzlebig. Und es wird immer schlimmer, die Spirale dreht sich immer schneller. Nehmen wir MySpace, 2003 gegründet, jetzt schon so gut wie weg vom Fenster. Neue Hypes werden noch schneller etabliert sein und noch schneller verschwinden, als man sich das heute vorstellen kann.
Warum wir uns diesem Stress unterwerfen soll und kann nicht in diesem Beitrag geklärt werden, mir war nur wichtig, an das Usenet zu erinnern und mich zu ärgern, daß es so für Telekomkunden enden mußte; unwürdig, heimlich, still und leise.
Apr 032011
Es freut mich zumindest, daß es dir doch noch eine Erwähnung und einen Kommentar wert war. Ich wollte mich ursprünglich auch noch dazu äußern bzw. werde dies eventuell später noch tun.
Ich hatte laut Info von t-online im letzten Jahr noch 17 Beiträge im Usenet und wurde daher gnädigerweise informiert. Aus den Plänen, 2011 wieder etwas Leben nach drts zu bringen, ist aber sowieso nichts geworden.
Chris
Keine Newsgroup, kein Forum und keine Community ist Selbstzweck, das sind reine Kommunikationswerkzeuge. Wenn Menschen sich dafür entscheiden anders oder wo anders oder über etwas anderes zu kommunizieren, dann ist das so und es ist gut. Ich denke als ehemaliger heavy-user sicherlich auch gerne daran zurück, aber es hat sich einfach totgelaufen…
In der Newsgroup betteln die User darum, die Simpsons endlich in Würde sterben zu lassen, die Newsgroup selbst wird krampfhaft versucht am Leben zu halten…Oh the irony :-/
Beschämend finde ich, dass heise erst zwei Tage später darüber berichtet hat. Gewusst hatten sie von der Abschaltung jedenfalls schon vorher :-/
Ein nachträglicher Gedanke noch, der mir gerade so kam (und ich kann den Gedanken nur aus der Warte von jemandem formulieren, der sich eben nicht unterwirft):
das hauptsächliche Problem, von dem das Sterben des Usenet und die generelle Leere online nur kleine Facetten sind, ist IMO jener konditionierte Irrglaube, der kurzen Zeiträumen wie 10 oder 20 Jahren viel zu viel Bedeutung zuteilt und damit ein hastiges „Ändern“ der Welt durchdrückt. Dabei kann Veränderung und echter Fortschritt in jedem Usenet-Beitrag oder in jeder txt-Datei stecken.
Chris