Letzten Freitag hatte ich eine Einladung zu einem Doppelkopfabend nebst Schaumweinverkostung. Diese zugegebenermaßen ungewöhnliche Kombination hat man nicht alle Tage, so fieberte ich seit Wochen diesem Abend entgegen.
Wir waren 5 Herren, darunter auch durchaus kompetente Vertreter, und starteten mit einem Quiz, in dem ich meine (Un-)kenntnis unter Beweis stellen konnte. Naja, soo schlecht war ich gar nicht, wußte ich doch, was Prosecco ist (eine Rebsorte), kannte die ideale Trinktemperatur von Champagner (5-7) und wußte dank des Gastgebers, was Krug ist.
Hingegen wußte ich nicht, daß man die kaiserlichen Kriegsschiffe mit Sekt der Marke Söhnlein taufte, daß die für die Kriegsschiffe eingeführte Sektsteuer von damals einer Reichsmark heute immer noch mit 1,02 EUR zu Buche schlägt wußte ich dann wieder.
Freunde von Aldi Spumante zu 1,79 EUR bedenken also bitte, daß für Verpackung, Distribution, Etikett, Lagerung, Agraffe und Gewinn nur noch 0,77 EUR bleiben, der Rest geht definitiv an den Vater Staat, der uns alle noch einmal unter Mutter Erde bringen wird, aber ich schweife ab.
Wer übrigens gerade bei dem Wort Agraffe nicht wußte, was das ist, ist in guter Gesellschaft mit dem Autor dieser Zeilen, ich wußte es auch nicht.
Was ich auch nicht wußte, war, daß ein erfahrener Flaschendreher am Tag 40.000 Champagnerflaschen drehen kann. Und vieles andere mehr auch nicht. Oder war jedem der Leser klar, daß mit 25% des Welt“bedarfs“ unser Deutschland den mit Abstand größten Marktanteil hat?
Nach so viel Theorie durfte die Praxis nicht zu kurz kommen, die Verkostung begann. Der als Aperitif gereichte Lambrusco zu 8 EUR war als netter Auftaktscherz gedacht, denn der Gastgeber hatte tief in die Geldbörse gegriffen. Neben edlem Käse, Brot und guten Mineralwasser gab es nämlich nun beinahe ausschließlich Champagner zu kosten.
Nach jeder Verkostung wurden alle Teilnehmer nach ihrem Eindruck befragt und eine Notenbewertung (0 = Spülwasser, 15 = perfekt) abgegeben, dann wurde das Geheimnis der eben getrunkenen Probe gelüftet.
Den Anfang machte ein Heidsieck & Co Monopole, Brut, Cuvee Prestige zu 29 EUR. Also gute Industriequalität und ein richtiger Griff für einen runden Geburtstag oder ein Familienjubiläum. Im Schnitt kam er mit 10 Punkten auch recht gut weg.
Dann gab es, quasi als Ausreißer, einen rheinhessischen Winzersekt Raumland, 2004 Silvaner, Prestige Brut zu 16 EUR. Der war etwas zu sehr in der Säure und bekam einen Punkt weniger.
Doch nun kamen die Überraschungen Schlag auf Schlag.
Zunächst gab es einen Dom Perignon, Brut, Vintage 2000. Zu diesem Champagner kann man u.a. lesen…
Der Geschmack ist überwältigend, Auftakt zu einer Vollmundigkeit, die sich komplex am Gaumen ausbreitet und immer sinnlicher wird. Nuancen von Anis und getrocknetem Ingwer verbinden sich mit den Früchten Birne und Mango, die eher fest als reif sind. Das Finale erreicht seinen Höhepunkt, bevor es abklingt, geschmeidig, ausgereift, allumfassend.
Ein undefinierbarer Zauber liegt diesem Champagners inne, ohne jemals seine Persönlichkeit zu beeinträchtigen.
So ganz stimme ich mit dem Autor nicht überein, gab ihm aber mit 13 Punkten meine Höchstnote des Abends. Die Experten am Tisch gaben hingegen nur 8 Punkte. Das gab einen Aufschrei, als das Etikett gezeigt wurde. Klar, die feine Perlage hatten sie gesehen und auch am edlen Duft ein preisintensiveres Getränk erwartet. Doch der Geschmack überzeugte eben nicht vollends und auch die Säure war arg betont.
Doch es sollte noch schlimmer kommen. Der nächste Champagner wurde gereicht, der bekam eine noch schlechtere Bewertung als der rheinhessische Winzersekt. Doch es war, ein mit 94 Parker-Punkten bewerteter Krug 1998, Brut. Wer wissen will, wieviel diese Plörre kostete, der atme tief durch und klicke hier.
So teuer und so enttäuschend. Edel war an diesem Zeugs nur die Verpackung und der Preis, wo ich bei Letzterem aber eher zu gepfeffert tendiere.
Wie mußten an dieser Stelle erst einmal eine Essenspause machen und warten, bis sich die Gemüter wieder beruhigten. Da die benachbarte Pizzeria schon den Ofen aus hatte, ließen wir uns Filet-Burger kommen. Diese schmeckten wohl, waren aber nicht endsättigend. Dafür paßten sie mit einem Preis von 12,50 EUR/Stck. sehr gut zum teuren Gesöff.
Weiter ging die Verkostung. Nun gab es wieder mehr als 10 Punkte für den nächsten Champagner. Aber alle beklagten den übersauren Abgang und den mangelnden Charakter, da nützt auch die schönste Perlage nichts.
Und wieder ein Paukenschlag, wieder eine Enttäuschung, ein Louis Roederer, Critstal, 2002 ist das Gelaber und schon gar nicht den Preis wert.
Kann das noch getoppt werden? Aber sicher, denn jetzt kam der teuerste Schampus des Abends an die Reihe. Der Dom Perignon, Rose, Vintage 1998 enttäuschte am meisten. Ich hörte danach mit dem Zeugs auf, weil mir die Plörre sauer aufstieß und auch die anderen Verkoster gossen die Hälfte des Glases in den Restbehälter.
Da kann der Karstadt noch so nette Worte finden, 349 EUR sind dafür ca. 320 EUR zuviel. Wir waren regelrecht geschockt, ausgesuchte Jahrgänge aus bester Lage, von Meisterhand gedreht, 7 Jahre auf der Hefe usw. und dann… schmecken die wie Faber-Sekt. Au weia, au weia.
Und mittlerweile schon des Schocks unfähig, reihte sich auch der letzte Spitzen-Champagner des Abends in die Liste der Enttäuschungen ein. Es war ein La Grande Dame, 1998, Brut, Veuve Clicquot Ponsardin, über den man tolle Sachen lesen kann und der trotzdem niemanden vom Hocker riß.
Die blöden russischen Oligarchen haben echt die Qualität versaut, in dem sie sich in St. Moritz und Monaco diese Champagner reichen lassen, um sie ihren Gespielinnen in den Ausschnitt zu spritzen. Anders kann ich mir den Verfall nicht erklären. Oder ist es spätrömische Dekadenz?
Die Verkostung war nun vorbei und hatte doch einen mehr als überraschenden Verlauf genommen. Nun wurde fleißig Doppelkopf gespielt (ich gewann 5 EUR) und dabei die angebrochenen Flaschen geleert. Und auch beim Nachkosten änderte sich nichts am Fazit des Ausrichters:
Im Prinzip handelte es sich um verdeckte Champagnerprobe; um so mehr war dann auch die Überraschung danach. Auch die Prestige-Champagner sorgten für einen Aha-Effekt: ihr Preisvorsprung – so war die Fachjury sich einig – ist im Geschmack nicht zu erkennen – edel ist nur der Preis; am besten von den Edelchampagner hat in der Fachbewertung seitens der Jury Dom Perignon, Brut, Vintage 2000 abgeschnitten, wobei vermutlich der Ausnahmejahrgang 2000 die entscheidende Rolle gespielt hat.
Nochmals an dieser Stelle vielen Dank dem edlen Spender und Gastgeber dieses wunderbaren Abends.
Und allen, die einmal einen guten Champagner trinken wollen, sei dringend empfohlen sich in der Region 30 EUR +-10 EUR umzuschauen.
Vielen Dank für den interessanten Bericht, der prima meine Vorurteile gegenüber der ganzen Wein-/Sekt-/Champagner-Szene bestätigt… 😉