Keine Angst, liebe DDR-Sozialisierte, ich bin nicht Irma und erinnere nicht an Ernst Thälmann.
In wenigen Tagen ist es 21 Jahre her, daß mein Vater nicht mehr am Leben ist. Er hat die Euroeinführung nicht mehr miterlebt, das Attentat in Winnenden, den Anschlag auf das World-Trade-Center und und und. Glücklicherweise auch nicht die Corona-Zeit, ich weiß beim besten Willen nicht, wie er sich dazu verhalten hätte.
Ich möchte heute nur einen Gruß aus der Vergangenheit zu Worte kommen lassen. Über ein soziales Medium erlangte ich gestern Kontakt zu einer Dame, die sich nach 28 Jahren noch lebhaft an meinen Vater erinnert, hat er doch wahrscheinlich damals ihrem Sohn das Leben gerettet.
Lassen wir sie sprechen (Rechtschreibung behutsam korrigiert):
Oh, …er war der Lebensretter meines Sohnes. Ihm verdanke ich, dass er 1994 die richtige Diagnose stellte, sonst wäre er einen Tag später an einer Sepsis gestorben.
Als ich erfuhr, was dann passiert ist, …Jahre später, war ich sehr traurig.
Wenn ich heute auf den Friedhof gehe, gehe ich immer bei ihm vorbei und bedanke mich immer noch.…
Er war unter den Ärzten hier in Altenburg, als Kinderchirurg, ein sehr guter Arzt und Diagnostiker. Mein Sohn lag mit 41,6 Grad Fieber drei Tage im Kinderhospital. Man untersuchte per Ultraschall, Röntgen, gezogenes Gehirnwasser etc., Ohne Diagnose. Er war schon ohne wirkliches Bewusstsein und man schrieb es einem Virus zu. Die Kinderchirurgie war derzeit in der Baracke im Areal des Kinderhospitals.
Ich wusste an dem Abend, wenn ich heute nach Hause gehe, bekomme ich in den nächsten Stunden eine schlimme Botschaft. Ich weinte furchtbar und sollte aber gehen, weil es bereits 20 Uhr war. Man sagte, man tue alles! Das Fieber ging trotz lytischen Cocktails nicht herunter.
Als ich völlig fertig das Haus verließ, kam von unten der Arzt und unsere Wege kreuzten sich direkt. Er grüßte mich ,schaute mich an und fragte, was mit mir ist. Ich erzählte soweit ich konnte alles und brach zusammen.Er klingelte an der Station, wo mein Sohn lag. Ich wurde versorgt und er ging zu meinem Sohn und untersuchte ihn. Danach kam er zu mir und erklärte mir, dass er Dr. Noori sofort anruft und ein Not-CT anmeldet. Das war für die neunziger Jahre nicht Standard.
Dr. Noori hatte schon lange Feierabend, aber er war noch da und alles wurde schnell im Krankenhaus Leipziger Straße vorbereitet. Der Rettungswagen kam, Dr. Möglich, mein ohnmächtiger Sohn und ich wurden ins KH gefahren. Unterwegs erklärte er mir, dass es UNNORMAL sei, bei der Symptomatik nicht den Chirurgen hinzugezogen zu haben.Er nahm an, Daniel habe einen perforierten Blinddarm, Lebensgefahr.
Das CT wurde gemacht…, es war kein Blinddarm, aber ein ebenso gefährlicher perforierter Nierenabzess, schon mit Bakterien in der Blutbahn.
Dr. Möglich konnte in dem Zustand, in dem mein Sohn war, ihn nicht mehr operieren, dass hätte dieser nicht überlebt. Also legte er Infusionen mit verschiedenen Antibiotika. Er sagte, wenn in zwei Stunden die Temperatur nicht etwas runter gegangen ist, MUSS er operieren. Er blieb die ganze Nacht bei mir und meinem Sohn. Die Temperatur ging nach zwei Stunden leicht auf 40 Grad zurück. Er blieb bis früh da und nahm meinen Sohn dann mit auf seine Station. Ich durfte auch ganztags dort bleiben.
Nach etwa einer Woche war mein Sohn aus dem Delirium wieder ansprechbar und außer Lebensgefahr.
So viele Tränen und Horrorangst als Mutter wollte ich nie wieder erleben. Ich bin fast zerbrochen. Deshalb bedanke ich mich heute noch am Grab.
Als ich damals die Zeitung aufschlug und die Annonce von Dr. Möglich las, war ich geschockt. Es war sehr traurig für mich.
Ich weiß noch als ich ihm Blumen zum Geburtstag ins neue Krankenhaus brachte. Da stand er gerade draußen und rauchte. Ich habe ihn umarmt, gratuliert und immer wieder bedankt. Aber ich merkte, das er spürbar dünner geworden war.
Ich fragte direkt, ob alles in Ordnung ist. Er sagte, ja….machen sie sich keinen Kopf, das ist nur wegen des Stressesw wegen der Eröffnung des neues Krankenhaus.
Kurze Zeit darauf die Nachricht.
Sorry für den langen Text, aber ich werde ihn nie vergessen.