Jul 052017
 

Sehr geehrter Herr Möglich,

vielen Dank für Ihre ausführliche Mail und die intensive Beschäftigung mit
unserem – ja eigentlich Ihrem – SWR1-Programm.
Einige Ihrer Beobachtungen sind sicherlich richtig, einige subjektiv und
andere, ja, was soll ich sagen, ja entwicklungsbedingt anders.
Da Sie sich so viel Mühe gegeben haben, möchte ich nicht einfach eine
Standard-Mail schreiben, sondern Ihnen gerne ein paar Antworten anbieten.
Ich mag Ihnen aber nicht garantieren, dass Sie damit zufrieden sind. Es ist
möglicherweise nur eine vorsichtige Erklärung aus unserer Macher-Sicht.

Aber am liebsten möchte ich mit dem letzten Punkt beginnen, um Sie ein
wenig positiv zu stimmen:

Wenn jetzt noch am Morgen ein Moderatoren-Team anfängt, dünne Witzchen
zu reißen, dann wird es schwer, eine Abgrenzung zum Formatradio zu
erkennen.

Das kann ich definitiv ausschließen. Wir wollen Sie auch gut gelaunt,
fröhlich und nicht miesepetrig in den Tag begleiten. Unser SWR1-Programm
soll aber erwachsen klingen. Modern, ja, aber vor allen Dingen erwachsen.
Deshalb werden wir keine „Morning-Crew“ haben, die Ihnen aus dem Witzebuch
vorliest. Fest versprochen.

1. Die Häufung der Jingles zur Sender-Bindung. Mehrfach die Stunde wird
nun rausposaunt, welchen Sender man gerade hört. Nun: ich weiß es, denn
ich habe ihn ja aktiv eingeschaltet. Ab und zu kann man sich ja wichtig
tun, doch die Häufungen nerven mittlerweile arg.

Das stimmt. Wir versuchen natürlich immer wieder neue Hörer zu uns zu
locken, die ähnlich wie Sie, durch die Programme zappen auf der Suche nach
guter Musik bei uns hängen bleiben. Und an dieser Stelle helfen wir den
Hörerinnen und Hörern sich zu erinnern, welches Programm sie jetzt hören.
Sie stört das – ich kann das verstehen – uns hilft es gerade bei den vielen
Hits der unterschiedlichen Jahrzehnte ein fließendes Musikprogramm zu
gestalten. Gerade wenn ein 60er Titel auf einen 80er Hit trifft können wir
mit diesen Jingles gut am Klangbild arbeiten. Und natürlich lieben wir auch
die Modernität, die das aussendet. Das lässt uns immer jung bleiben:-)

2. Die mehrere Minuten lange Penetranz der immer gleichen (und
grauseligen) Werbungen zu bester Sendezeit. Gut, Sie brauchen das Geld
und ich kann solange umschalten (was ich derzeit auch mache), aber es
nervt Tag für Tag mehr.

Da haben wir leider keinen Einfluss darauf. Das ist genau wie Sie es
schreiben. Nur noch so viel: ohne die Werbegelder müsste der
Rundfunkbeitrag erhöht werden.

3. Das erkennbare Anbiedern an Hörer außerhalb des eigenen Dunstkreises
durch Abspielen von kurzlebigen Chart-Titeln, die besser in DASDING oder
im 3. Programm aufgehoben wären (Ed Sheeran als Beispiel soll genügen).
Bisher konnte man eigentlich allen SWR1-Titeln problemlos zuhören,
mittlerweile sehe ich mich öfter genötigt, irgendwelche grottigen Lieder
stummzuschalten. Das kenne ich bisher nur von den SWR1-Hitparaden, bei
denen ich die, ansonsten SWR1-untypischen, Helene-Fischer-Titel
pausierte oder eben von anderen ersten Programmen, wenn die sich in die
Schlagerwelt verirren.

Wir machen das nicht, um uns anzubiedern. So ein Radioprogramm ist immer
ein geschmacklicher Kompromiss. Da passiert auch mal musikalisch etwas, was
nicht zu 100% (zu Ihnen) passt. Der eine aktuelle Titel gibt uns die
notwendige Frische, dass wir auch mal unseren Hörern präsentieren können,
was unter Umständen mal ein größter Hit aller Zeiten werden wird.
Musikalisch und vom Klangbild her passen sie aber sehr gut zu uns. Sie sind
nur für einige Ohren noch unbekannt. Aber für ein abwechslungsreicheres
(Musik-)Programm und für den oben angesprochenen Jungbrunnen sind sie
unerlässlich.

4. Das gehäufte Ansagen von Musiktiteln der nächsten halben Stunde und
mittlerweile sogar das Anspielen dieser Titel. Auch diese Unart kann man
jugendlich-hippen Sendern überlassen.

Ja, da haben sie recht. Das soll Lust machen. Das gelingt mal mehr und mal
weniger gut. Hängt aber auch von den Musiktiteln ab – auch ob man sie mag
oder nicht. Und noch wichtiger: dass sie nicht zu lange angespielt werden,
sonst hat man das Gefühl, da kommt der Titel ja schon wieder. Am richtigen
„Timing“ arbeiten wir.

5. Die „lustigen“ Kinder. Ok, hier schieße ich über mein Ziel hinaus,
Geschmäcker sind verschieden. Zum Schluß aber der wichtigste Punkt und
der eigentliche Grund meines Schreibens.

Das haben Sie wieder recht. Die Fangemeinde des „kleinen
Erziehungsratgebers“ ist riesig und er wird sehr gerne gehört. Da gilt das,
was Sie selbst sagen: Geschmäcker sind verschieden. Das ist bei so
humorvollen Beiträgen häufig. Und gerade für unsere Hörerinnen und Hörer
ist es sehr schwer mal einen Schmunzler zu finden, der a.) nicht so
läppisch, seicht oder total überzogen ist. Deshalb sind wir damit sehr
zufrieden.

6. ABC-Quiz um 13:10 Uhr?!? Wer hört denn um diese Zeit zu und wer hat
dann Zeit, mitzumachen? Also ich sicher nicht. Ein kleiner Höhepunkt
meines Arbeitstages und gelegentliches Gesprächsthema mit Kollegen und
Familie war das morgendliche Quiz, das mir nun jäh weggenommen wurde.
Und was ist der Ersatz? Nichts! Ich bin vergrätzt. Kann man nicht
wenigstens die Wiederholung vom Vortag senden?

Über 10 Jahre ist der ABC-Champion Ihnen jetzt an dieser Stelle treu und
ich kann mitfühlen, wie sehr man sich an so ein tolles Mitrate-Element
gewöhnt: uns geht es an dieser Stelle übrigens genau gleich. Auch wir haben
mitgeraten und mit unseren Hörerinnen und Hörern mitgefiebert. Auf der
anderen Seite haben wir seit 10 Jahren um dieselbe Zeit immer dasselbe
gemacht. Wir wissen natürlich, dass es eine starke Marke für SWR1 geworden
ist, wollten jetzt aber auch anderen Menschen die Gelegenheit geben, dieses
wunderbare Wissensquiz zu erleben. Und die Rückmeldungen die wir bekommen
sagen auch, dass man am Nachmittag – im Büro und Zuhause, wenn die Hektik
des Morgens weg ist, eher mal die Chance hat, selbst mitzumachen oder
mitzuraten. Das wollen wir jetzt ausprobieren und noch mehr Menschen die
Gelegenheit geben mitzuspielen.

Wir selbst sind auch neugierig, ob wir den ABC-Champion damit in eine
ausgeruhtere Erlebniswelt transponieren können und noch mehr Menschen mit
unserem Wissensquiz bekannt machen können.
Eine Idee könnte sein, den ABC-Champion im Internet zusätzlich anzubieten.
Aber ein Quiz, das nicht live ist, ist wie die Zeitung von gestern oder das
Confed-Cup-Finale in der Mediathek. Könnte langweilig sein – nehme ich aber
mal als Anregung mit. Wir denken jetzt darüber nach, doch wieder einen
Zeitpunkt festzulegen, weil wir so wieder eine Verabredung mit Ihnen und
anderen Hörerinnen und Hörerinnen schaffen können.

Lieber Herr Möglich, haben Sie noch einmal vielen Dank für Ihre Mail, die
uns (und mir speziell) eine Anregung und ein Hinweis ist, über das Programm
und die konkreten Punkte nachzudenken. Manchmal unterscheidet sich die
Macher-Sicht von der Hörer-Sicht. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass
wir immer eine (ich finde gute) Erklärung zu jeder Frage haben. Dennoch
hoffe ich, dass Sie ein paar Punkte nachvollziehen können und uns – bei
allem Frust – gewogen bleiben. Und bitte schauen Se doch Anfang Oktober bei
der SWR1-Hitparade in Mainz im Gläsernen Studio vorbei. Da können Sie die
Moderatorinnen und Moderatoren und viele Macher kennenlernen und mit uns
persönlich ins Gespräch kommen.

Nochmals Danke für Ihre Mühe.

Mit freundlichem Gruß
Roland Welling

SWR1 Rheinland-Pfalz
Abteilungsleiter SWR1 Magazine und Musik
Stv. Programmchef SWR1 Rheinland-Pfalz

SWR
Südwestrundfunk
Am Fort Gonsenheim 139
55122 Mainz

roland.welling@SWR.de

SWR1.de

Eins gehört gehört. SWR1.

 Posted by at 7:01 am

  2 Responses to “Antwort vom SWR auf mein Gemecker”

  1. Schön, dass man deine Mail hinreichend ernstgenommen hat, um dir eine persönliche Antwort zu schreiben. Ob du mit der Antwort inhaltlich zufrieden bist, kann ich nicht einschätzen – ich vermute mal eher nicht, aber zumindest teilweise?

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