Mai 202008
 

Wie man lesen kann, forscht man jetzt auch in Europa munter daran, Chimären zu produzieren.
Als eifriger Science-Fiction-Leser wurde ich schon häufig aus verschiedensten Richtungen mit genau diesem Thema konfrontiert. So erkannte Stanislaw Lem schon in den 1960er Jahren, daß sich die Moral zwangsläufig an den Fortschritt anpassen muß. Andere Schriftsteller beschrieben in ihren Geschichten auch oft moralische Konflikte, ohne freilich Lösungen anbieten zu können. Allzu glatt ist das Eis für uns in Deutschland, denkt man bei Experimenten am Menschen doch automatisch an Adolf Nazi.
Einen gekonnten Umgang mit Halbwesen hingegen beweist der der Waliser Jasper Fforde, in dessen Parallelwelt die Gentechnik eine immense Rolle spielt. So haben viele Bürger ihre Haustiere gentechnisch im Hobbykeller erzeugt. Dazu zählen Dodos (bis Version 1.2 noch ohne Flügel), tasmanische Beutelwölfe (DH 72) oder auch Flamingos. Und man liest den „Splicer“. Mammuts und Neanderthaler leben mitten unter uns, freilich nicht ohne diverse Probleme. So sind Neanderthaler zeugungsunfähig und damit zum zweiten Mal zum Aussterben verurteilt. Sie sollten übrigens als Arbeitssklaven bzw. Soldaten in Massen gezüchtet werden. Dummerweise sind sie vom Charakter her weder für das Eine noch das Andere geeignet.
Doch bei Chimären, da kennt diese Welt keinen Spaß. Dann kommt sofort ein Sondereinsatzkommando, welches das Halbwesen liquidiert und der Erzeuger wird vor Gericht gestellt.
Vielleicht könnte man ja in diese Richtung denken, dann wäre mir wohler, denn was ich nicht weiß, das…
Jedenfalls denke ich bei solchen Forschungen eher an menschliche Ersatzteillager, an leidende Wesen, die weder Tier noch Mensch sind und für die Mutter Natur keinen Platz vorgesehen hat.
Sicher ist jedenfalls, daß sich meine und die nächste Generation in Parteien, Kirchen, Gerichten usw. schon einmal heftig Gedanken machen dürfen, wie wir mit den neuen Herausforderungen umzugehen haben. Dagegen sind die Dinge, die durch die Vernetzung möglich geworden sind, reinster Kindergeburtstag. Ich meine damit so banale Sachen wie Spammer, Schwarzkopierer, Communities usw.
Sieht man einmal, wie schwer wir uns mit dem § 218 StGB taten und immer noch tun, dann möchte ich nicht wissen, wie Menschen auf geklonte Geschwister (bei Haustieren funktioniert das schon) oder Mäuse mit Ersatzpenissen reagieren.
Oder ob ein Kind Erbe werden kann, wenn es erst Monate, Jahre nach dem Tode des Vaters durch dessen tiefgefrorenes Sperma gezeugt wurde. Oder man, so kein Sperma vorhanden war, vom Autounfall noch ein paar Gramm Genmaterial besorgt, aus denen man dann Erbgut gewinnen kann. Was passiert, wenn man seinen Klon umbringt? Oder er einen umbringt? Wenn man Sex mit seinem Klon hat, ist man dann schwul (lesbisch) oder ist das nur eine neue Ebene der Masturbation? Oder ist es gar Inzest? Überhaupt, die Sexindustrie wird Millionen verdienen mit aus echtem Fleisch bestehenden Nachbildungen diverser Persönlicheiten, die dann freilich keine Persönlichkeit haben werden. Oder vielleicht doch? Oder nur ein bißchen?
Die Gedanken führen alle in unfaßbare, moralisch unbesetzte Gebiete.
Und wenn man schaut, wie sich junge Menschen heute schon einem Körperkult hingeben, indem sie ihn nicht nur glatt rasieren, sondern diesen dann auch mit Brandzeichen, Tätowierungen versehen oder überall zerstechen und andersweitig stark gegenüber der Norm verändern, dann ist es nicht mehr weit zum gentechnischen Verändern der Haut in ein feines Blau. Es gibt ja auch schon Haustiere, die im Dunkeln leuchten. Und vielleicht ist in einigen Jahrzehnten oder Jahren der Zweitpenis Standard.
Vor wenigen Jahren hätte ich über solche Gedankengänge nur müde gelächelt, da ich die Verwirklichungen durch die Wissenschaft noch in jahrhunderteweiter Ferne sah. Doch wenn man so in der Fachpresse blättert, dem DLF lauscht oder einfach nur der Tagespresse, dann dürfte sich der Fortschritt gerade von rasend schnell auf explosionsartig ausbreiten.
Ich denke aber auch daran, daß man bisher immer noch nichts gegen die Alopezie gefunden hat.
Zumindest diesen Fortschritt würden viele Herren noch begeisterter begrüßen als eine gewisse blaue Pille.

 Posted by at 10:14 pm

  One Response to “Moralanpassung benötigt”

  1. Ich denke, dass nicht nur die Herren in der moralischen Pflicht sind, sondern auch die Frauen. Bespiel: Leihmutterschaft. Kinder im Alter von 70 Jahren gebären…

    Unsere Kultur und Wissenschaft weckt nicht das Interesse am anderen Menschen, wie er ist. Sie kultiviert das Vorurteil, wie er/sie zu sein hat. Ich würde mal zu behaupten wagen: typisch heterosexuell! 😉

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