Mai 212008
 

Montag, 31.07.2006 – Seetag
Viele mögen ja keine Seetage, da man zwangsläufig weniger (an Land) erleben kann. Ich hingegen liebe Seetage. Nun ist schon der zweite am Stück. So bekommt man wenigstens den Hauch des Eindrucks einer Seefahrt. Das Wetter hat sich kaum geändert, es sind um die 6 Grad und es ist überwiegend bedeckt. Das ist als einziges schade, denn so können wir die Mitternachtssonne nicht sehen.
An dieser Stelle erzähle ich einmal vom generellen Tagesablauf auf so einem Schiff. Prinzipiell gilt: der Gast ist König und kann tun und lassen, was er will. Außer bei der Seerettungsübung, die alle 14 Tage obligatorisch für alle ist, gibt es keine Pflicht, zu irgendetwas zu erscheinen. So kann man den ganzen Tag in der Kabine liegen und lesen und sich Essen und Trinken in die Kabine liefern lassen. Da das begreiflicherweise eher wenige so handhaben, gibt es aber auch noch einen definierten Tagesablauf. Größter Wert wird dabei aufs leibliche Wohl der Passagiere gelegt. War Seefahrt früher bezüglich des Essens eine Katastrophe (der Seemann der kocht, heißt nicht umsonst Smutje (kommt von Schmutz, Dreck) und Skorbut und Lebensmittelvergiftungen und Verdursten waren häufige Todesursachen), so ist auf einem Kreuzfahrtschiff alles anders. In seinen riesigen Bauch mit endlosen Kühlregalen und Tiefkühlschränken passen Tonnen um Tonnen frisches Obst, Gemüse, Fleisch, Getränke aller Art. In fast jedem Hafen werden die Vorräte um lokale Spezialitäten erweitert. Bestimmt mehr als 100 Konditoren, Bäcker, Soßenköche, Sommeliers, Barmixer, Zutatenköche, Suppenköche, Brater und eine Heerschar Kellner bemühen sich unter der Regie von Chef- Meister- und leitenden Kellnern und Köchen von 6:30 bis zum von der Witterung abhängigen offenen Ende ums leibliche Wohl von uns 1168 Passagieren.
Ab 06:30 gibt es für Frühaufsteher schon Kaffee und Croissants. Von 07:00 Uhr bis 10:00 Uhr kann man üppig frühstücken. Dazu wird alles geboten, was man sich als Mitteleuropäer (an Bord sind fast ausschließlich Schweizer, Österreicher und Deutsche) vorstellen kann.
Mittagessen gibt es von 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr. Die bordeigene Pizzeria bietet kostenfrei Pizza und Pasta von 10:30 bis 18:30 Uhr an. 15:30 bis 16:30 Uhr gibt es Kaffee, Tee und Kuchen und Torten und Eis und Schnittchen und Gebäck. 18:00 Uhr – 20:00 (bzw. in der zweiten, in unserer Sitzung ab 20:00 Uhr) ist Abendbrotzeit. Dabei heißt Abendbrot allerdings immer mehrgängiges Menü. Und von 23:00 Uhr bis Mitternacht laufen noch einige nette Menschen durchs Schiff, die gratis Leckereien wie Hühnerbeine, Toast Hawaii, Gehacktesbällchen usw. feilbieten.
Der bordeigene Irish Pub öffnet um 07:00 Uhr. Spätestens 10:00 Uhr haben dann alle CLunbs, Lounges und Bars auf. Die Getränke, die dort gereicht werden muß man allerdings zahlen. Doch fällt das nicht schwer. Zum einen habe ich ein Bordguthaben von 50 EUR, das noch versof^wverbraucht werden will, zum anderen fällt Bezahlen sehr leicht, denn die pfiffigen Kellnerinnen und Kellner kennen einen sehr schnell mit Namen und Kabinennummer und so braucht man nicht einmal seinen Bordausweis zu zücken. Allerdings muß man für jedes Getränk unterschreiben. Abgerechnet wird dann am Schluß. Man kann aber auch jederzeit eine Zwischenabrechnung vornehmen lassen.
Nun ißt man natürlich nicht ständig auf so einer Reise. Gewitzt durch vorhergehende Fahrten ließen wir täglich ein, zwei Mahlzeiten weg und durchstreiften stattdessen das Schiff. So gab es einen Schaukasten, der uns über Ereignisse in der Welt informierte, an dem ich täglich haltmachte. An diesem Tag erfuhr ich vom Tode der Schauspielerin Elisabeth Volkmann, bekannt aus Klimbim und als deutsche Stimme der Marge Simpson. In der Kabine war zwar ein Fernsehgerät, aber in der momentan besuchten Region der Welt hat man keinen kommerziellen Fernsehsatelliten über sich, der dieses Gerät versorgen kann. Es läuft aber ein bordeigenes Fernsehprogramm mit Dokumentationen, Spielfilmen und mit Infos von der Brücke (Kamera, Wetter- und Fahrtdaten).
Ich schalte den Fernseher aber nur sehr selten ein. Das Bordradio hat nur zwei Programme (sowas wie Klassik, wiederholt sich ständig und sowas wie Unterhaltung, wiederholt sich auch ständig). Aber ich habe ja das Notebook dabei, welches üppig mit MP3 befüllt ist und ein Abspielgerät ist auch vorhanden. Und in Island erwarb ich ja schöne CDs.
Der heutige Tag jedenfalls wird verbracht mit Skatspiel, mit dem Besuch eines Vortrages über Spitzbergen, mit dem Schreiben zahlreicher Postkarten (Zeit drängt) und meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Beobachten des Meeres. Ich bin einfach zufriedenzustellen, ich brauche nur etwas Platz und bewegtes Wasser und dann ist für mich die Welt in Ordnung. Nun, Plätze haben wir genug und Wasser auch. Am späten Nachmittag sichte ich das erste Mal in meinem Leben Wale. Ein Exemplar schmimmt keine 10 Meter neben dem Schiff und stößt gewaltige Fontänen aus. Alle Beobachter sind begeistert und keiner hat einen Fotoapparat dabei. Trotz leichtem Schnupfens (medikamentös hervorragend bekämpft) bin ich oft draußen und stehe im eisigen Nordwind. Mir kann er nichts mehr anhaben, ich habe ja in Island winddichte Oberbekleidung samt Mütze erworben. Der Wind greift sich aber meine Skatkarten, diese wirbeln nur kurz auf dem Deck hin und her und verschwinden ruck-zuck im eisigen Nordmeer. Also, wer da oben ein deutsches Blatt findet, der weiß jetzt, von wem das stammt.
Am Abend werden in der Lounge im festlichen Rahmen Couplets der 20er Jahre geboten. Darauf verzichten wir dankend, sondern schwätzen lieber in einer der zahlreichen Bars. Da wir ständig irgendwelche Zeitzonen durchqueren, wird schon wieder die Uhr umgestellt. Ich mache noch einen Nachtspaziergang. Daß es 01:30 Uhr ist, merkt man nicht, es ist sehr hell. Morgen früh sollen wir Spitzbergen erreichen, also gehe ich erwartungsvoll ins Bett.
Pool
Wie man sieht, ist der Außenpool beheizt und zu jedem Wetter beliebt, vor allem bei den Kindern.
Polarnacht
Nachts halb zwei auf dem Oberdeck. Es ist ziemlich hell und ich bin nicht der einzige Nichtschläfer.

 Posted by at 4:43 pm

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