Ende Juli lud ich Ware in mein Auto ein, welche ich im Mediamarkt kaufte. Als ich das letzte Paket vom (Unterflur-) Einkaufswägelchen ins Auto wuchtete, kullerte das nunmehr leere Wägelchen gemächlich Richtung nächstes Auto. Da ich schlecht deswegen das schwere Paket mit 500 Euro teurer Technik fallenlassen konnte, wuchtete ich es in den Kofferraum und ging zu meinem Wägelchen, welches an einem benachbarten Autos Stoßstange zum Stehen kam. Es war für mich an diesem Auto keinerlei Schaden sichtbar; wie auch, denn was soll ein leerer Einkaufswagen, der gemächlich ein paar Meter über einen ebenen Parkplatz rollert und an einer Stoßstange anhält schon für einen Schaden anrichten? Der ganze Vorfall besaß für mich keinerlei Wichtigkeit oder Schöpfungshöhe, um weiter Gedanken daran zu verschwenden.
Mitte August erhielt ich nun einen Anruf von der für meinen Wohnbezirk zuständigen Polizeistelle Mainz-Lerchenberg. Eine junge Polizistin erklärte mir, sie ermittle in einer Fahrerfluchtsache, ob ich das Kennzeichen sowieso und einen PKW sowieso hätte und dann und dann dort und dort gewesen wäre. Sie besitze Fotos einer verkratzten Stoßstange und es müsse nun gegen mich eine Ermittlung geführt werden und ich solle am Montag dann und dann aufs Revier kommen.
Geschockt, wann habe ich schon mal mit der Polizei zu tun, überlegte ich so lange, bis mir obenbeschriebene Episode wieder einfiel. Da mußte also ein besorgter Bürger alles beobachtet, mein Nummernschild notiert und die Sache bei der Polizei zur Anzeige gebracht haben.
Gewitzt durch diverse Erfahrungen mit den staatlichen Organen, befragte ich befreundete Anwälte, wie ich mich in dieser Sache zu verhalten hätte. Diese meinten, ich brauche nicht zur Polizei zu gehen und solle erst einmal abwarten.
Lange mußte ich nicht warten, ich erhielt relativ rasch einen Befragungsbogen zur Stellungnahme. Dort schrieb ich wahrheitsgemäß, daß ich mir keiner Schuld oder Handlung bewußt sei und dachte, damit sei die Sache erledigt.
Pustekuchen!
Ende August bekam ich folgendes Schreiben:
Straftat? Tatzeit, Tatort? Hinreichender Tatverdacht? Hey, ich habe nichts gemacht und nichts gemerkt was soll das denn. Ok, immer mit der Ruhe, die Sache ist wegen fehlendem öffentlichen Interesse eingestellt, wenn, ja wenn…
Wie bitte?!? 400 EUR für nix? Ich beschloß, mich zu wehren. Doch mehrere, teils ausführliche Gespräche mit verschiedenen Anwälten aus dem Freundes- und Bekanntenkreis führten dazu (Hauptgründe: Zeit, Ärger, Anwaltskosten, Akteneinsichtsgebühren usw.), daß ich mich heute zähneknirschend als kultureller Spender betätigte und vorhin von meinem sauer verdienten Geld 400 EUR abzwackte. Für nichts! Und der BlockwartTyp, der mich denunzierte, hat nun seine Freude. Der Autofahrer dessen Stoßstange „beschädigt“ ist, ist übrigens außen vor.
Der kann mich jetzt theoretisch zivilrechtlich verklagen und in einem anzustrengenden Verfahren auf die Ersetzung des Schadens klagen. Doch es gibt ja keinen Schaden, zumindest keinen von mir verursachten Schaden.
Übrig bleibt also das schale Gefühl, daß ein „aufrechter“ Bürger jemanden wegen nichts denunziert und man in den Mühlen der Staatsanwaltschaft hängenbleibt und zu völlig überzogenen Zahlungen genötigt wird. Ich wette, daß ein solches Verfahren gegen Nichtnormalbürger gar nicht erst eröffnet worden wären.
Ich jedenfalls überlege mir jetzt, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, denn damit lohnt es sich nämlich wieder, sich gegen solche Auswüchse des modernen (und offensichtlich armen) Rechtsstaates zu wehren.
Übrigens wurde mir vor einigen Jahren in Osnabrück der Fahrerspiegel (in Wagenfarbe lackiert, beheizbar, elektrisch) abgefahren. Ich rief die Polizei, die sagte „wegen solcher Kleinigkeiten komme man nicht.“ Klar, damals hatten sie noch Räuber zu fangen.
Sep 292010