Mai 232007
 

heise online berichtet über eine neue Geschäftsidee.
Wo soll das noch hinführen.
Die allgegenwärtigen Mobiltelefone, die alle Industrielandeinwohner binnen nicht mal einer Dekade zu 100% abhängig gemacht haben, dienen also nicht mehr nur zum teuren Telefonieren und Kurznachrichten verschicken, sondern auch zum jederzeitigen (immer zu bezahlendem) Aufnehmen und Verschicken von Bildchen und Filmchen. Dann kann man damit noch Adressen und Termine verwalten und Musik hören. Das taugt aber nichts, da man dafür nichts zahlen braucht, es sei denn, man ist so doof und lädt sich für teuer Geld die tollen Megahits runter, die man sowieso ständig im Dudelfunk hört.
Wie kann der Händibesitzer also noch gemolken werden? Klar, durch Spielchen, selbstverständlich auch Pornos (wobei ich das derzeit am ärmsten finde) und durch Klingeltöne und Hintergrundbildchen, Bildschirmschoner usw..
Dann kommen noch die fantastischen Möglichkeiten der Internetverbindung dazu. So kann man, wiederum für teuer Geld, sich navigieren lassen bzw. aktuelle Staumeldungen erhalten. Und mit WAP klitzekleine Internetseitchen ansteuern, die tolle Sachen anbieten. Die ganzen Informationsdienste habe ich nicht mal erwähnt. Auch die Offline-Tuner, also Anbieter von Taschen, Ketten, Oberschalen usw. lasse ich mal aus dem Spiel.
Wie kann man also in diesem abgegrasten Markt noch Geld machen oder auffallen?
Ganz einfach: durch Werbung oder durch krasse Neuerungen, wie sie obengenannte Fa. jetzt anbietet.
Menschen zahlen nun also Geld dafür, daß während eines Telefonats Spaßgeräusche eingeblendet werden. Dann hört man also Kühe muhen, Frösche quaken, Stadtlärm, lustige Pups- und Kotzgeräusche, Lacher und tausende andere tolle Laute.
Dachte ich noch vor kurzem noch, das Gedudel vom Deutschlandlied im Technorhythmus statt eines Freizeichens sei der Gipfel der Zumutung, so wird das von dieser Funruf-Geschichte doch locker getoppt. Nun werde ich dank meines Bekanntenkreises und meiner Kundenklientel eher selten mit Zeitgenossen zu tun haben, die ihr (Taschen-?)Geld für so einen Blödsinn ausgeben. Aber Armeen von Schulkindern werden begeistert ihr karges Salär auch dafür opfern.
Andererseits, wie TheKaiser treffend bemerkte: Ein herrliches Auswahlkriterium zum Beenden von (Telefonbekanntschaften).
Das Schlimmste kommt aber zum Schluß, denn dank meiner regelmäßigen Teilnahmen an Befragungen, habe ich auch diverse Einblicke in die nähere Zukunft erhalten.
Die Kuh ist nämlich noch nicht ausgemolken. Die große Mehrheit der Leute hat heutzutage ein modernes Gerät mit einem hochauflösendem Farbdisplay und Bluetooth-Fähigkeit.
Und auf den Displays wird meist nur eine langweilige Uhr oder das Bild der/des (momentanen) Liebsten angezeigt. Wie einfallslos, wie langweilig! Und nach dem dritten Hintergrundbildwechsel für nur 1,99 EUR hat auch eine Mehrheit begriffen, daß zum Cool-Sein mehr gehört.
Also wird an dieser Stelle ein neuer Hebel angesetzt.
Erste Pilotversuche in Großstädten ermutigen die Macher der neuen Welt sehr.
So wurden in Düsseldorf und Berlin Plakate aufgestellt, die vorbeigehenden Willigen per Bluetooth kostenlos ein Lied (ein Superhit, der täglich ein dutzend Mal im Dudelfunk läuft) schicken, wenn sie denn einen Code an die werbende Fa. senden (und sich damit an potentielle Kunden zu erkennen geben). Offensichtlich haben viele Leute nichts zu tun oder sind fasziniert von den Möglichkeiten ihres Gerätes, denn der Versuch lief sehr zur Zufriedenheit der Firmen.
Doch wie wird es weitergehen?
Ganz einfach! Da Mobiltelefone immer ziemlich genau (also auf ca. 100 Meter ohne hohen technischen Aufwand) zu orten sind (das ist eine technische Notwendigkeit), wird es bald Dienste geben, die dem Händibesitzer je nach Ort, an dem er sich gerade aufhält, mit nützlichen Informationen beglücken wird.
Man steht also am Kino und auf dem Telefon wird das Kinoprogramm angezeigt, man steht in der Innenstadt und eine SMS verkündet, daß man eine Kugel Eis bei Luigi gratis bekommt, wenn man sofort zu ihm über die Straße marschiert. Karstadt wirbt für die Nike-Turnschuhe, die gerade im Angebot sind und der Plattenladen empfiehlt die neue CD für nur 17,99 statt 19,99, auf der lauter Hits sind, die jeden Tag auf dem Dudelfunk in Endlosrotation laufen.
Nicht daß wir uns falshc verstehen. Das wird bald Realität sein. Das sind keine Konzepte, das ist marktreif.
Und für diesen Dienst muß man monatliche Abonnements abschließen. Nun, dann hat man die Wahl. Oder noch besser (also schlimmer): Solche Dienste sind automatisch im Vertrag integriert. Dafür werden dann eben die Grundgebühren reduziert oder die Minutenpreise günstiger.
All diesen neuen Ideen ist gemeinsam: Abschluß eines Abonnements, dort hinterlegt man ein Profil (Vorlieben Musik, Kleidung usw.).
Ab dann zeigt das Display per MMS, SMS, Bluetooth oder eben das Hintergrundbild oder den Klingelton an, wenn man an einem Geschäft mit Schnäppchen vorbeigeht, in welcher Kneipe die gleichen hippen Leute wie man selber sitzt (Flirtfunktion inklusive), welcher Film der Angesagteste ist und welche Musik die Megageilste ist (das ist übrigens die, die täglich im Dudelfunk…).
Ja, schöne, neue Welt.
Leute geben für Firmen wichtige Teile ihrer Persönlichkeit frei und bekommen dafür irgendwas billiger.
Also so neu ist die Idee insgesamt nicht, da kann die Payback-Karte schon seit einigen Jahren. Neu ist hier nur, daß alles online und sofort stattfindet und man für dafür auch noch bezahlt. Und daß man einen Teil seines Lebens dafür opfert (oder verplempert?), statt mit wachen Augen durch die Welt zu laufen mit starrem Blick aufs Händi auf der Jagd nach dem Kick durch die Stadt geht.
Und anstatt mit Freunden und Kumpels beim Eiskaffee lachend am Tisch zu sitzen, hocken dann hektisch blickende Junkies zusammen am Eiskaffeetisch und blicken alle naselang nervös aufs Display, um ja nichts zu verpassen. Dabei verpassen sie in diesem Moment einen schönen Teil ihres Lebens. Das ist so arm, man möchte weinen.
Tja, schöne neue Welt.

 Posted by at 6:46 am

  5 Responses to “Schöne, neue Welt?”

  1. Du hast, wie eigentlich immer bei derartigen Themen, meine vollkommene Zustimmung.

  2. WOHOO!!! HABENWILL!!!! 😉

  3. AOL!
    Aber bitte lies nochmal drüber.

  4. Jetzt muß ich mich auch mal in so einem seltsamen Schnickschnack-Blog äußern (erzähl es aber nicht weiter ;-)):

    bist du sicher, daß „alle Industrielandeinwohner“ solche Handydinger benutzen oder sich gar abhängig davon machen? Ich habe kein Handy, brauche auch keines (wozu?) und mir fallen auf Anhieb mindestens 3 weitere Leute ein, die auch keines haben. „Alle Einwohner“ können es also irgendwie schon mal gar nicht sein.

    Ansonsten habe ich von den Dingen, über die du schreibst, bestenfalls mal am Rande gehört.

  5. Ausnahmen und Regeln, lieber Chris 😉

 Leave a Reply

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

(required)

(required)