Unser letzter längerer Ausflug begann in den sehr frühen Morgenstunden. Mal wieder mußten wir mit gepackten Koffern in früher Stunde losziehen. Abfahrt war am Hotel Camino Real. Dort fragte man uns nach einer dritten mitreisenden Person, die uns aber nicht bekannt war. So fuhr der Kleinbus nur mit uns los. Es ging nach Antigua, mittlerweile fuhren wir die Strecke zum dritten Mal und verfügten schon über gewisse Ortskenntnisse.
In Antigua stiegen wir in ein ähnliches Fahrzeug um. Touristen werden meistens in irgendwelchen Kastenwägelchen wie etwas Hyundai H-1 oder Toyota Hi-Ace transferiert. In diese Autos passen passen incl. Fahrer 14 Leute hinein, mehr ist auch kein Problem. Ab 14 Personen wird das Gepäck recht abenteuerlich auf das Dach geschnallt.
So war es auch hier. Da wir im Januar aber Trockenzeit hatten, brauchten wir uns um Nässe keine Sorgen machen. Der Transporter tuckerte in aller Seelenruhe kreuz und quer durch Antigua, um hier und da anzuhalten, um diverse Franzosen (oder Belgier), Amerikaner und Indianer aufzulesen.
Bis auf den letzten Platz gefüllt machten wir uns dann auf den Weg nach Chichi(castenango). Wenn man sich das in Google Earth anschaut, zuckt man mitleidig die Schultern, keine 100 Kilometer weit hat man zu fahren. Doch diese 100 Kilometer können sich nicht nur hinziehen, sondern auch recht anstrengend sein. Die Fahrt geht durchs Hochland, das von steilen Schluchten und starken Einbuchtungen geprägt ist, die die Reise sehr verlängern. Auf halber Strecke machten wir Rast auf einem gepflegten Rasthof und dann kam es immer dicker. Auf der Straße nach Chichi wird die Spreu vom Weizen getrennt. Die Straße hat solch extreme Steigungen und Gefälle, daß die meisten Fahrzeuge diese nur im ersten Gang meistern können. Ältere oder ungepflegte Kühl- und Bremssysteme gelangen sehr schnell an ihre Leistungsgrenzen, wie zahllose liegengebliebene Busse, PKW und LKW am Straßenrand bezeugten. Der vor uns kriechende Sattelschlepper mußte die Haarnadelkurven in voller Straßenbreite nehmen. Das tat er durch andauerndes Hupen kund. Durch das Hupen wußte der Gegenverkehr, daß er vor der Kurve anhalten muß. Freilich nützt daß nichts, wenn mitten in der Kurve ein Bus liegengeblieben ist. Aber abgestumpft durch diverse Fahrerlebnisse, konnte uns nichts mehr schocken. Doch sahen wir dem weißen Qualm, der aus allen Radnaben des Lasters vor uns reichlich aufstieg, nachdenklich zu.
Unser Gefährt kam hingegen problemlos gegen 10:30 Uhr in der 2000 Meter hoch gelegenen 100.000-Einwohnerstadt Chichicastenango an.
Dort herrschte für uns erst einmal leichte Irritation. So richtig toll waren unsere Spanischkenntnisse ja immer noch nicht. Unser Fahrer erzählte irgend etwas und lud die Koffer ab. Was nun? Die anderen Mitfahrenden waren nicht hilfreich bzw. hatten ihre Reiseführer gefunden. Glücklicherweise hatte ich ja eine lokale SIM-Karte und diverse Telefonnummern, die ich nun abtelefonieren wollte. Das erübrigte sich aber, denn unsere Reiseführerin kam atemlos auf uns zugestürzt. Nun klärte sich alles auf.
Wir waren in Guatemala am Hotel zu zweit angereist. Wegen Staus hatte es unsere Führerin, nicht rechtzeitig geschafft. Am Hotel kannte man uns nicht. Kein Wunder, da wir ja privat in der Nähe untergebracht waren. So fuhr die arme Ana Luisa, so ihr Name, mit ihrem Mann und dem Kleinkind hinter uns her, um uns nun doch noch zu treffen.
Aber aus der Not wurde eine Tugend gemacht, ihre Familie, sowieso schon mit dem Auto da, machte quasi parallel zu uns einen Miniurlaub im Hochland.
Wie auch immer, nun hatten wir eine Ansprechpartnerin, die leidlich deutsch, französisch und englisch sprach und gefühlt jeden im Ort kannte, denn alle paar Schritte fiel sie irgendwem um den Hals.
Zweimal die Woche findet in Chichi der größte Indianermarkt der Welt statt. Heute war natürlich so ein Tag und wir waren ruckzuck im vollen Handelstreiben gefangen. Hunderte, ach Tausende von Buden und Ständen hatten schier endlose Mengen an kakelbunten Waren ausgelegt, fliegende Händler priesen mehr oder weniger aufdringlich ihre Waren an. Dazwischen Kaufwillige, Straßenköter, Kinder, Einheimische und natürlich Touristen zu Hauf. Hier hörte ich zum ersten Mal bewußt deutsche Laute, freilich konnte man den deutschen Touri auch problemlos an der Jack-Wolfskin-Jacke und dem Rucksack mit unvermeidlicher Wasserflasche problemlos identifizieren.
Nach einem ersten Eindruck, wobei uns besonders der Obst- und Gemüsemarkt faszinierte, frühstückten wir erst einmal in einem Restaurant, was wir ohne unsere Luisa sicher nie entdeckt hätten. Bei frischen uovo revuelto (Rührei) und jugo de naranja (Orangensaft) sahen wir von einer Empore auf das bunte Treiben herab.
Dann stürzten wir uns stundenlang ins Gewühl. Luisa schaffte es sogar, und diverse Sehenswürdigkeiten zu zeigen, aber der Markt war das beherrschende Element. Nach einer Weile hatten wir diverse Waren gruppiert, erkannten Gleiches und konnten auch, dank Luisas kompetenter Hilfe, Tand und Nippes von echter Qualität unterscheiden.
Wir waren natürlich mit dem festen Willen hierher gekommen, uns etwas Landestypisches zu kaufen und ich hatte sogar konkrete Vorstellungen. Doch bis ich etwas Passendes fand, dauerte es doch ganz schön lange. Schließlich fand ich einen Stand, an dem es die schönsten, qualitativ hochwertigsten (und wenig überraschend auch teuersten) Kissenbezüge gab. Da die Oberbekleidung der Standbesitzerin im exakt selben Stil gearbeitet war, konnte ich ihr glauben, daß es eigene Handarbeit war. Und ganz früher hatte ich ja einmal Textiltechnik studiert und ein paar Restkenntnisse besaß ich ja auch noch, um eine gute von schlechter Arbeit unterscheiden zu können.
Jedenfalls habe ich jetzt in meiner Wohnung einen kakelbunten Zierkissenbezug, bestickt mit landestypischen Vögeln wie den Guacamayos (Aras), Tucans, Papageien und natürlich dem Quetzal. Ansonsten kauften wir noch diverse Kleinigkeiten ein. Irgendwann, es war gegen halb 2, waren wir fußlahm und reizüberflutet und kehrten zur Busstation zurück (übrigens eine umgebaute Scheune mit Rampen und abenteuerlich geparkten Kleinbussen vollgestopft).
Dann ging es im nunmehr dritten Kleinbus des Tages die abenteuerlichen Serpentinen zurück, um dann zu unserem Tagesziel zu kommen, dem Städtchen Panajachel am Atitlansee. Wie im schlechten Film: der See tauchte das erste Mal in der Ferne auf und alle im Bus riefen „Ah!“ und „Oh!“. Und das mit recht, der Atitlansee ist eines Ausrufes würdig. Eingebettet zwischen hohe Bergketten, durchwoben von Vulkanen, erstrahlt seine üppige Oberfläche riesig glänzend und am Nachmittag meist durch starke Winde aufgewühlt.
Der See liegt auf 1500 Meter Höhe, hat immer 19 Grad Wassertemperatur und ist immer ein Hingucker. Unser Hotel lag direkt am See und unsere Zimmer boten einen phantastischen Ausblick, den wir allerdings erst am übernächsten Tag voll genießen konnten, da es heute dunstig war.
Da es erst früher Nachmittag war, beschlossen wir noch, das Städtchen zu erkunden. Nun bot sich nach dem riesigen Markt vom Mittag nichts Neues mehr und einkaufsmüde waren wir auch noch. So suchten wir uns nur eine Gaststätte, um Abendbrot zu essen. Das war gar nicht so einfach, denn offensichtlich herrscht im Moment eine Italienmode und quasi alle Gaststätten boten Pizza und Nudeln an, das war nichts für uns.
Schließlich kehrten wir in der Atlantis Bar ein, wo wir nicht nur einen schönen Margarita (nicht die Pizza) sondern auch einheimisches Essen erhielten. Heute gab es Pollo Pepian, das ist Huhn in einer Kürbis-Sesam-Soße und schmeckt recht gut.
Auf dem Rückweg holten wir uns noch ein Feierabendbier, daß wir auf dem Balkon tranken. Dann forderten die vielen Eindrücke des Tages ihren Tribut. Gegen 21:00 Uhr sank ich ins Bett, wo ich sofort einschlief, nachdem ich mir irgendwie das Überbett als Zudecke zurechtgeschoben hatte, denn der Bettenbau überstieg meine Fähigkeiten.
Unser Auto mit Koffern huckepack am Rastplatz.
Ein Mitreisender füttert ein Erdmännchen?
Unsere Reiseführerin Ana Luisa. Multikulti pur: Großvater Deutscher, Großmutter Italienerin, verheiratet mit einem Spanier, will nach Frankreich.
Wir üben uns im Flötenspiel. Die überall angebotenen Flöten sind übrigens nicht spielbar, sondern erzeugen nur irgendwelche Töne.
Ein Mädchen bietet Blumen auf der Kirchentreppe an.
Der Gemüsemarkt ist in einer Turnhalle.
An diesem Stand kaufte ich meinen Kissenbezug, ein Teil von ihm ist links im Bild.
Vom Foto her uninteressant, aber als Fakt interessant: die hier angebotenen, selbstgebrannten und kunstvoll bedruckten DVDs kosten im Schnitt 3 – 10 Quetzales und enthalten meist drei aktuelle Hollywood-Filme mit spanischen Untertiteln. Die Raubmordkopie ohne Breitband funktioniert also auch prächtig, wie ich erfreut feststellte.
Massentransporter.